Leitsatz
1. Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 angeordnete Rückwirkung betrifft nur die Ermittlung des Einkommens der übertragenden Körperschaft und der Übernehmerin. Diese Norm führt daher nicht zum Entstehen eines Übernahmegewinns bei einem bereits verstorbenen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, wenn diese Gesellschaft nach dem Todestag rückwirkend auf ihren neuen Alleingesellschafter verschmolzen wird.
2. Die Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG 2002 ist auch dann anzuwenden, wenn Anteile an der übertragenden Körperschaft, die unter § 17 EStG fallen, zwischen dem steuerlichen Übertragungsstichtag und dem zivilrechtlichen Wirksamwerden der Verschmelzung unentgeltlich übertragen werden.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 2 UmwStG 2002
Sachverhalt
Der Kläger war zunächst mit 48 % an einer GmbH beteiligt; die weiteren 52 % der Anteile hielt sein Vater V. Nach dem Tod von V erhielt der Kläger vermächtnisweise dessen GmbH-Anteile. Kurze Zeit später wurde die GmbH mit dem Vermögen des Klägers als ihres nunmehrigen Alleingesellschafters verschmolzen. Als steuerlicher Übertragungsstichtag wurde ein Zeitpunkt, der vor dem Tod des V lag, bestimmt. Auf diesen Tag stellte die GmbH eine Schlussbilanz auf.
Der Kläger ermittelte einen Übernahmegewinn gemäß § 4 Abs. 4 UmwStG 2002, den er sich nur zu 48 % zurechnete. Demgegenüber setzte das FA den gesamten steuerpflichtigen Übernahmegewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers an. Es sei nicht möglich, durch Wahl eines Übertragungsstichtags, der vor dem Tod eines früheren Gesellschafters der übertragenden GmbH liege, rückwirkend die Besteuerung des Verstorbenen bzw. von dessen Erben zu beeinflussen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 13.11.2018, 5 K 236/15, Haufe-Index 12699445, EFG 2019, 443).
Entscheidung
Die Revision des Klägers war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen unbegründet.
Hinweis
1. Dieses Urteil zeigt die Grenzen der Rückwirkung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 auf. Die Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass sie nicht rückwirkend zum Entstehen eines Übernahmegewinns bei einem bereits verstorbenen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft führt, wenn diese Gesellschaft nach dem Todestag auf ihren neuen Alleingesellschafter verschmolzen wird.
2. Ertragsteuerrechtlich eröffnet § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 zwar die Möglichkeit einer begrenzten Rückwirkung. Nach dieser Regelung sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags ganz oder teilweise auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Dieser Bilanzstichtag darf höchstens acht Monate vor der Anmeldung der Verschmelzung zur Eintragung in das Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers liegen (§ 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG).
3. Nach seinem Wortlaut betrifft § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 allein die Einkommensermittlung "der übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin". Frühere Gesellschafter der übertragenden Körperschaft sind hingegen in § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002nicht erwähnt. Auch § 4 UmwStG 2002 regelt kraft seiner amtlichen Überschrift und seines Norminhalts ausschließlich die "Auswirkungen auf den Gewinn der übernehmenden Personengesellschaft" bzw. im Fall des § 9 UmwStG 2002 die Auswirkungen auf den Gewinn der übernehmenden natürlichen Person. Die Gewinnermittlung bei früheren – insbesondere bei während des Rückwirkungszeitraums verstorbenen – Gesellschaftern ist hingegen nicht Regelungsgegenstand dieser Normen.
4. Die vom BFH vorgenommene wortlautbezogene Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 entspricht der auch von der Literatur geteilten bisherigen BFH-Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 17.1.2018, I R 27/16, BStBl II 2018, 449, Rz. 17 ff.) und der Auffassung der Finanzverwaltung, wonach Gewinnauswirkungen auf der Gesellschafterebene nicht an der Rückwirkung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2002 teilnehmen (BMF-Schreiben vom 25.3.1998, BStBl I 1998, 268, Rz. 02.09 und 05.02 sowie BMF-Schreiben vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314, Rz. 02.17 und 05.03).
5. Der Übernahmegewinn oder Übernahmeverlust infolge des Vermögensübergangs ergibt sich gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Körperschaft. Der Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter bleibt jedoch außer Ansatz, soweit er auf Anteile an der übertragenden Körperschaft entfällt, die am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht zum Betriebsvermögen der übernehmenden natürlichen Person gehören (§ 4 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 UmwStG 2002).
6. Die Anteile, die dem Übernehmer am steuerlichen Übertragungsstichtag zwar gehörten, jedoch (noch) nicht seinem Betriebsvermögen zuzuordnen waren, gelten gemäß § 5 Abs. 2 (i.V.m. § 9 Abs. 1) UmwStG 2002 als am steuerlichen Übertragungsstic...