Leitsatz
Die BFH-Rechtsprechung zur Beendigung einer Organschaft in den Fällen der Sequestration vor Konkurseröffnung gilt auch bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Die Organschaft endet regelmäßig mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Erhält der Insolvenzverwalter den maßgeblichen Einfluss auf die Organgesellschaft und ist eine vom Organträger abweichende Willensbildung möglich, endet die Organschaft ausnahmsweise bereits mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters.
Sachverhalt
Im Urteilsfall war A Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der A-GmbH. Bis Februar 1999 bestand zwischen ihm als Organträger und der A-GmbH unstreitig ein Organschaftsverhältnis. Nach Stellung eines Insolvenzantrags wurde im Februar 1999 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Verfügungen der A-GmbH über ihre Vermögensgegenstände bedurften ab diesem Zeitpunkt der Zustimmung des Verwalters. Die gesetzliche Vertretungsbefugnis der A-GmbH blieb bei A. Im April erfolgte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Finanzamt vertrat in einer Außenprüfung die Auffassung, das Organschaftsverhältnis habe bis April 1999 fortbestanden und setzte die Umsatzsteuer für 1999 auf ca. 77 500 DM fest.
Entscheidung
Das FG stimmt der Rechtsauffassung des Finanzamtes zu. Im Urteilsfall bestand zwischen A als Organträger und der A-GmbH ein umsatzsteuerliches Organschaftsverhältnis bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der finanziellen und organisatorischen Eingliederung liegt die Tatsache zugrunde, dass A sämtliche Geschäftsanteile der GmbH hielt. Die wirtschaftliche Eingliederung ergibt sich aus der Vermietung des Betriebsgrundstücks. Das vermietete Grundstück hatte für die A-GmbH besonderes Gewicht, weil dort ihr Unternehmen betrieben wurde. Die GmbH war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens organisatorisch in das Unternehmen des A eingegliedert. Nach Rechtsprechung des BFH endet eine Organschaft nur dann vor Eröffnung des Konkursverfahrens mit der Anordnung der Sequestration, wenn eine Verwaltungssequestration vorliegt. Sind dagegen die Handlungsspielräume des A und des vorläufigen Verwalters entsprechend dem Zweck der Sequestration eingeschränkt, dass dem Verwalter eine vom Organträger abweichende Willensbildung nicht möglich ist, bleibt die Organschaft zunächst bestehen. Die Insolvenzordnung unterscheidet, ob dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird oder lediglich angeordnet wird, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Im Urteilsfall wurde angeordnet, dass A nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters handeln darf. A stellte als Geschäftsführer und Organträger der A-GmbH sicher, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organgesellschaft nicht stattfinden konnte. Der Zwang zur Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter reicht nach Ansicht des FG nicht aus, um A aus der GmbH-Leitung zu verdrängen. Die Ermächtigung des Insolvenzverwalters, mit rechtlicher Wirkung für die GmbH zu handeln, ist unschädlich, zumal diese nur eingeschränkt zur Erfüllung dringend erforderlicher Aufgaben galt. Eine eventuelle verminderte Ausprägung des Kriteriums der organisatorischen Eingliederung steht der Annahme einer Organschaft nicht entgegen. Die finanzielle und wirtschaftliche Eingliederung blieb deutlich bestehen. Als allgemeiner Vertreter der GmbH hatte A weiterhin die GmbH-Führung inne und war als Organträger Schuldner der Umsatzsteuer.
Nach Rechtsauffassung des FG war die Einholung einer Entscheidung des BVergfG oder des EUGH nicht geboten. Ein Verstoß u. a. gegen Art. 20 GG war für das Gericht nicht erkennbar.
Hinweis
Maßgebend für den Zeitpunkt der Beendigung der Organschaft im Insolvenzfall ist der Umfang der Rechtsposition des vorläufigen Insolvenzverwalters. Die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters liegt im Ermessen des zuständigen Insolvenzgerichtes. Das Insolvenzgericht hat nach § 21 Absatz 1 InsO alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um bis zur möglichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Die Praxis unterscheidet zwischen dem sog. starken, schwachen und halbstarken vorläufigen Insolvenzverwalter. Ein sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter ist anzunehmen, wenn dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird. Infolge des Wegfalls der organisatorischen Eingliederung endet in diesem Fall die umsatzsteuerliche Organschaft mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Ein sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter berät den Schuldner ähnlich einem gerichtlichen Sachverständigen. Die organisatorische Eingliederung bleibt bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen.
Bei Bestellung eines sog. halbstarken vorläufigen Insolvenzverwalters darf der Schuldner grundsätzlich schalten und walten, bedarf aber zur Wirksamkeit bestimmter Geschäfte die Zustimmung des vorläufigen Verwalters. Der Z...