Leitsatz
* Die Abfindung, die ein Gesellschafter für den Verzicht auf Pensionsansprüche gegenüber der GmbH erhält, ist keine begünstigte Entschädigung, wenn es im Zusammenhang mit dem Verzicht nicht zu einer Veräußerung der GmbH-Anteile kommt.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 24 Nr. 1 Buchst. a und b EStG , § 34 EStG
Sachverhalt
Der am 20.7.1928 geborene Kläger war zu gleichen Teilen mit B und R an einer GmbH beteiligt. Die GmbH hatte u.a. dem Kläger eine Pensionszusage mit einem Anspruch auf eine monatlich zu zahlende Rente erteilt; ein Wahlrecht auf Kapitalisierung war nicht vorgesehen. Im März 1993 bot die GmbH dem Kläger an, die Pension abzulösen. Es heißt dort: "Im Zug der Regelungen der Unternehmensnachfolge möchten wir diese ungewisse Verpflichtung für unsere Gesellschaft gerne begrenzen."
Die Abfindung wurde am 9.11.1993 ausgezahlt. Mit Vertrag vom 24.11.1993 veräußerte B seine Anteile an den Kläger und an R. Der Kläger räumte gleichzeitig R das Recht zur Übernahme seiner Anteile gegen Zahlung des Nennwerts ein. Er sollte mit Vollendung des 65. Lebensjahrs seine aktive Tätigkeit einstellen, war jedoch noch im Jahr 1996 nach wie vor Mitgesellschafter-Geschäftsführer.
Das FA versagte eine begünstigte Besteuerung der Pensionsabfindung. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung des FG. Eine Zwangslage, die den Kläger zum Verzicht auf seine Pensionsansprüche veranlasst haben könnte, sei hier nicht erkennbar.
Hinweis
1. Eine Abfindung für den Verzicht auf Pensions- oder Gehaltsansprüche ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann eine begünstigt zu besteuernde Entschädigung, wenn der Verzicht unfreiwillig erfolgt ist, d.h. der Steuerpflichtige sich bei seiner Entscheidung in einer Zwangssituation befunden hat.
Dabei hat der BFH in mehreren jüngeren Entscheidungen, die Gesellschafter von GmbHs betrafen, betont, dass eine solche Zwangssituation auch dann gegeben sein kann, wenn der Gesellschafter freiwillig seine GmbH-Anteile veräußert hat und im Zug der Veräußerung auf seine Versorgungsansprüche oder auf seine Geschäftsführertätigkeit verzichtet (vgl. BFH, Urteile vom 10.4.2003, XI R 4/02, BFH-PR 2003, 405 für Pensionsansprüche; vom 13.8.2003, XI R 18/02, BFH-PR 2004, 82 für Geschäftsführertätigkeit). Entscheidend ist, dass der Verzicht selbst unfreiwillig erfolgt ist. Die Anteilsveräußerung und der Verzicht auf laufende Einnahmen werden hinsichtlich der Zwangssituation grundsätzlich getrennt beurteilt.
2. Eine Zwangslage zum Verzicht auf Versorgungsansprüche wird in der Regel dadurch entstehen, dass bei einem Verkauf der Erwerber der Anteile nicht bereit ist, die Versorgungsverpflichtungen zu übernehmen.
Im vorliegenden Fall kommt diese Möglichkeit aber schon deshalb nicht in Betracht, weil es im Zusammenhang mit der Ablösung der Pensionsverpflichtung nicht zu einer Veräußerung der Anteile gekommen ist. Der Kläger war nämlich noch drei Jahre nach dem Verzicht und dem Erhalt der Abfindung Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH.
Allerdings hatte der Kläger vorgetragen, dass im Zug der Regelung einer Unternehmensnachfolge die Gesellschaft von "Altlasten" befreit werden sollte. Ein berechtigtes Interesse hatte insoweit auch das FA eingeräumt. Dies reicht dem BFH für die Feststellung einer Zwangslage indes nicht aus. Allein die Aussicht oder Erwartung – so der BFH –, dass im Rahmen einer Anteilsveräußerung eine Ablösung hätte notwendig werden können, genügt nicht, um eine Zwangslage anzunehmen.
3. Eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG konnte die Abfindung für die Ablösung des Pensionsanspruchs ebenfalls nicht darstellen, weil sie weder als Gegenleistung für die Aufgabe bzw. Nichtausübung einer Tätigkeit durch den Kläger noch für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung gezahlt worden war.
4. In dem ansonsten gleich gelagerten Parallelfall XI R 30/02 (einen weiteren Gesellschafter derselben GmbH betreffend) hat der BFH zusätzlich ausgeführt, dass eine Erkrankung des auf die Pension verzichtenden Gesellschafters für die Beurteilung der Zwangslage unerheblich ist. Eine Erkrankung kann im Einzelfall für, ebenso aber auch gegen eine Ablösung sprechen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.12.2003, XI R 31/02