Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die Befreiungsvorschrift des § 7 Abs. 1 GrEStG ist bei der Aufhebung einer Wohnungseigentümergemeinschaft unter Bildung von Miteigentum nicht entsprechend anwendbar.
Blick in das Gesetz
Bei einem Tauschvertrag, der für beide Vertragsteile den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet, unterliegt sowohl die Vereinbarung über die Leistung des einen als auch die Vereinbarung über die Leistung des anderen Vertragsteils der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 5 GrEStG).
Wird ein Grundstück, das mehreren Miteigentümern gehört, von den Miteigentümern flächenweise geteilt, so wird die Steuer nicht erhoben, soweit der Wert des Teilgrundstücks, das der einzelne Erwerber erhält, dem Bruchteil entspricht, zu dem er am gesamten zu verteilenden Grundstück beteiligt ist (§ 7 Abs. 1 GrEStG).
Rechtsfrage
Stellt die Auflösung von bestehenden Wohneinheiten mit anschließender Umwandlung in Miteigentumsanteile, die Angleichung dieser Miteigentumsanteile und die flächenmäßige Neuaufteilung in eine entstehende Wohnungseigentümergemeinschaft einen Tausch i.S.d. § 1 Abs. 5 GrEStG dar?
Sachverhalt
Mehrfacher Rechtsträgerwechsel bei der Auflösung und Umstrukturierung einer Wohneigentümergemeinschaft
Der Kläger und die A Bank bildeten 2 Wohnungseigentümergemeinschaften in Bezug auf ein Eckhaus. In dem Gebäude befanden sich eine Bankfiliale und mehrere Wohnungen. Es stand auf 2 Grundstücken. Die hinsichtlich des Flurstücks 1 begründete Wohnungseigentümergemeinschaft 1 (W 1) bestand aus 3 Einheiten des Wohnungs- oder Teileigentums, von denen eine - verbunden mit einem Anteil von 600/1000 am gemeinschaftlichen Eigentum - der A Bank und 2 - verbunden mit einem Anteil von jeweils 200/1000 am gemeinschaftlichen Eigentum - dem Kläger zugeordnet waren. Die hinsichtlich der Flurstücke 2 bis 7 begründete Wohnungseigentümergemeinschaft 2 (W 2) bestand aus 10 Einheiten des Wohnungs- oder Teileigentums, von denen eine Einheit zusammen mit einem Anteil von 163/1000 am gemeinschaftlichen Eigentum der A Bank und 9 Einheiten zusammen mit Anteilen von insgesamt 837/1000 am gemeinschaftlichen Eigentum dem Kläger gehörten.
Mit Notarvertrag vom 16.12.2016 trafen der Kläger und die A Bank im Wesentlichen folgende Vereinbarung:
- Die W 1 und 2 wurden mit der Folge aufgehoben, dass an dem Flurstück 1 die A Bank zu 600/1000 und der Kläger zu 400/1000, an den Flurstücken 2 bis 7 die A Bank zu 163/1000 und der Kläger zu 837/1000 beteiligt waren (Teil B des Vertrags).
- Die A Bank veräußerte ihre Miteigentumsanteile an den Flurstücken 2, 5 und 7 zum Preis von 5.000 EUR an den Kläger (Teil C des Vertrags).
- Um gleiche Beteiligungen (A Bank: 400/1000, Kläger: 600/1000) an beiden Grundstücken zu erreichen, übertrug die A Bank 200/1000 ihres Miteigentums am Flurstück 1 auf den Kläger. Dieser übertrug 237/1000 seines Miteigentums an den Flurstücken 3, 4 und 6 gegen Zahlung eines Kaufpreises von 222.000 EUR auf die A Bank (Teil D des Vertrags).
- Sodann vereinigten die Vertragsparteien die Flurstücke 1, 3, 4 und 6 nach § 890 Abs. 1 BGB zu einem Grundstück. Sie begründeten Wohnungs- und Teileigentum gem. § 3 WEG der im Jahr 2016 geltenden Fassung (WEG a.F.). Dabei wurde der A Bank Teileigentum an einer Einheit mit einem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum von 400/1000 zugeordnet. Der Kläger erhielt neben Teileigentum an einer Einheit Wohnungseigentum an 9 Einheiten mit Miteigentumsanteilen von insgesamt 600/1000 (Teil E und Anlage 3 des Vertrags).
- Der Kläger und die A Bank gingen in dem Vertrag von einem Verkehrswert des Gesamtobjekts, d.h. beider Grundstücke, von 1.445.000 EUR aus. Davon sollten 965.000 EUR auf das Eigentum des Klägers und 480.000 EUR auf das Eigentum der A Bank entfallen.
Das Finanzamt (FA) setzte unter Zugrundelegung der Wertermittlungen im Notarvertrag mit mehreren Bescheiden Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest. Den Teil B des Vertrags beurteilte es als Tausch von Miteigentumsanteilen an den Einheiten des Sondereigentums. Für den Erwerb nach Teil C des Vertrags setzte es ebenfalls Grunderwerbsteuer fest. Den Teil D des Vertrags beurteilte es als Tausch von Miteigentumsanteilen mit Zuzahlung und setzte Grunderwerbsteuer fest. Auch den Teil E des Vertrags behandelte es als Tausch von Miteigentumsanteilen. Unter Heranziehung von § 7 Abs. 1 GrEStG kürzte es die Bemessungsgrundlage um 60 %.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das FG als unbegründet abgewiesen. Mit der Revision rügt der Kläger die isolierte Betrachtung der einzelnen Vertragsteile. Bei den Befreiungsvorschriften bestehe eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung auf den Streitfall rechtfertige. Die Bereinigung einer verworrenen Miteigentümerstruktur sei vom Gesetzgeber nicht als regelungsbedürftiger Fall erkannt worden. Nach dessen Vorstellung solle die Grunderwerbsteuer nur die sich im Erwerbsvorgang offenbarende Leistungsfähigkeit erfassen. Durch die Neuordnung der Miteigentumsanteile sei der Kläger aber nic...