Leitsatz
Verlegt eine natürliche Person ihren Wohnsitz von Deutschland aus ins Ausland, und hält sie wesentliche Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, sind etwaige stille Reserven in den Anteilen im Rahmen eines fingierten Verkaufs zu versteuern. Werden mehrere Beteiligungen gehalten, kann ein fingierter Veräußerungsgewinn aus einer Beteiligung nicht mit einem fingierten Veräußerungsverlust aus einer anderen Beteiligung verrechnet werden.
Sachverhalt
Der Kläger war seit mehr als 10 Jahren in Deutschland ansässig, bevor er seinen Wohnsitz nach Österreich verlegte. Zum Zeitpunkt seines Wegzugs verfügte er über fünf Beteiligungen i. S. d. § 17 EStG. Für zwei seiner Beteiligungen wurden stille Reserven ermittelt. Die drei anderen Beteiligungen waren seit dem Erwerb im Wert gesunken. Das Finanzamt besteuerte die stillen Reserven in den im Wert gestiegenen Beteiligungen. Die wertgeminderten Beteiligungen berücksichtigte es bei der Steuerfestsetzung nicht. Hiergegen richtet sich die Klage.
Entscheidung
Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab. Zwar ist aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 AStG nicht ableitbar, ob neben fingierten Veräußerungsgewinnen auch -verluste bei der Wegzugsbesteuerung zu berücksichtigen sind, allerdings legte das Gericht die Vorschrift dahingehend aus. Hierzu führte es aus, dass für den Fall des Eintretens einer späteren beschränkten Steuerpflicht allein Vorkehrungen für die Abstimmung auf einen zuvor berücksichtigten Vermögenszuwachs getroffen wurden. Auch im Fall der Stundung der Steuer nach § 6 Abs. 6 AStG könnten Wertminderungen, die bei einer späteren tatsächlichen Veräußerung ergeben, höchstens im Umfang des Vermögenszuwachses nach § 6 Abs. 1 AStG berücksichtigt werden. Zudem stellte das Gericht klar, dass Anteilswertminderungen auch insofern keine Berücksichtigung finden, als dass beim Halten mehrerer wesentlicher Beteiligungen keine Saldierung sich jeweils ergebender fingierter Veräußerungsverluste und -gewinne zu erfolgen hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut liegt der Wegzugsbesteuerung eine anteilsbezogene und eben keine personenbezogene Betrachtung zugrunde.
Hinweis
In der Urteilsbegründung werden europarechtliche Aspekte nur am Rande aufgegriffen. Da im Zuzugsstaat eine Beteiligung üblicherweise mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Zuzugs verstrickt wird, wirken sich noch nicht realisierte Wertminderungen während des Zeitraums der deutschen Steuerpflicht de facto steuerlich nicht aus. Ein Verstoß gegen Europarecht erscheint hier nicht abwegig. Insofern sollten die Entwicklungen im zugelassenen Revisionsverfahren genau verfolgt werden.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 25.03.2015, 1 K 495/13