Zusammenfassung
- Im Einkauf liegt der Gewinn. Eine alte Kaufmannsweisheit, die gerade in der aktuellen Zeit mit zahlreichen Engpässen und Veränderungen an den Beschaffungsmärkten weiter an Bedeutung gewinnt. Denn die aktuell grassierende Materialknappheit belastet in vielen Branchen Margen und Liquidität.
- Vor allem bei Händlern, Produzenten und Handwerkern haben der Materialeinsatz und die lückenlose Beschaffung erheblichen Einfluss auf das Unternehmensergebnis und die Liquidität.
- Dennoch wird der Bereich in vielen Unternehmen bei Planung und Steuerung häufig immer noch vernachlässigt.
- Gerade die zusammengehörenden Bereiche Einkauf und Logistik lassen sich durch den Einsatz von Kennzahlen gut planen und steuern.
- Der Beitrag gibt einen fundierten Überblick über wichtige Kennzahlen, die in Einkauf und Logistik zum Tragen kommen sollten.
1 Besonderheiten und Herausforderungen im Einkauf und im Einkaufscontrolling
Der klassische Einkauf hat vereinfacht ausgedrückt die Aufgabe, die für die Produktion und den Verkauf von Produkten benötigten Waren, Materialien und Rohstoffe zu beschaffen. Dabei gibt es zahlreiche Bedingungen, die beachtet bzw. erfüllt sein müssen:
- Die Beschaffungsgüter müssen zu den Zeitpunkten uneingeschränkt zur Verfügung stehen, an denen sie von Produktion oder Verkauf benötigt werden; es darf keine Engpässe oder Verzögerungen geben.
- Die Güter müssen von hoher Qualität sein und es sollte wenig Mängel oder Beanstandungen geben.
- Sie müssen zu günstigen Preisen und Konditionen beschafft werden.
- Es muss eine ausreichende Zahl geeigneter Lieferanten geben, die die gestellten Anforderungen erfüllen.
Daraus leiten sich für Einkäufer in den Betrieben vor allem folgende Ziele ab:
- Sicherstellung der Versorgung, z. B. durch bedarfsbezogene Bestellungen sowie "ausreichend" hohe Lager- und Sicherheitsbestände
- Sicherstellung günstiger Konditionen, z. B. durch Abnahme großer Mengen
- Schnelle Bezahlung der Lieferanten, insb. wenn Skonto gewährt wird.
Doch die Ziele des Einkaufs können zumindest in Teilen den Gesamtzielen des Unternehmens widersprechen. Denn sie bedeuten u. a. ein Ansteigen der Bestände, eine Zunahme spezifischer Risiken wie Schwund oder Überalterung sowie geringe Lieferantenverbindlichkeiten, was aus Sicht des Gesamtunternehmens und des Controllings ungünstig ist (z. B. Verschlechterung des Working-Capitals, Belastung der Liquidität). Hinzu kommen steigende Nebenkosten, weil z. B. Versicherungsprämien und Lagerkosten steigen. In der Folge können höhere Logistikkosten entstehen, wenn mehr Lieferungen als bisher erforderlich sind und hier die Kapazitäten knapp sind. Im Beitrag werden Einkauf und Logistik auf Grund der engen Verflechtung zusammen betrachtet und die Begriffe synonym verwendet.
2 Neue Herausforderungen machen teilweise Überarbeitung von Zielen und Strategien erforderlich
Die derzeitige Entwicklung spielt dem Einkauf mit seinen spezifischen Zielsetzungen in die Hände. Denn aktuell und wohl noch auf Sicht der kommenden Jahre wird es neue Herausforderungen geben, etwa Materialknappheit, Versorgungsengpässe, ständige Preissteigerungen in vielen Bereichen und fehlende Transportkapazitäten. Das macht es für alle Beteiligten erforderlich, die strategische Ausrichtung und damit auch die Kennzahlenauswahl bzw. deren Interpretation und Aussagekraft zumindest in Teilen zu überdenken.
Die aktuellen Entwicklungen sind nicht nur eine Herausforderung, sondern sie bieten allen Beteiligten die Chance, sich zusammenzusetzen, die Dinge neu zu bewerten und am Ende eine gemeinsame (neue) Linie zu finden.
Planung und Steuerung im Einkauf mit Kennzahlen
Eine Möglichkeit, wie man im Unternehmen dabei schrittweise vorgehen kann, zeigt Abb. 1. Begonnen werden sollte mit der Bestandsaufnahme. Dann müssen, soweit die Notwendigkeit besteht, Ziele und Strategien überarbeitet werden. Und es sind geeignete Kennzahlen zu erheben oder zu generieren, mit denen sich der Einkauf steuern lässt. Bei Abweichungen von den Zielen oder wenn die Kennzahlenausprägungen sich verschlechtern, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Der Prozess sollte jährlich wiederholt werden.
Abb. 1: Mögliche Vorgehensweise zur Steuerung des Einkaufs mit Kennzahlen
2.1 Schritt 1: Bestandsaufnahme durchführen
Am besten ist es, wenn Einkauf, Logistik und Controlling zunächst eine Bestandsaufnahme durchführen und sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob man die aktuelle Vorgehensweise beibehalten kann oder Ziele und Strategien ändern muss. Dabei kann es helfen, u. a. folgende Fragen ehrlich zu beantworten:
- Gibt es bereits Ziele im Einkauf? Wie lauten diese?
- Wird nach den Zielen gearbeitet und wird versucht, diese zu erreichen?
- Hat sich der Materialkostenanteil (im weiteren Verlauf sind alle Positionen der GuV / BWA Material/ Wareneinkauf gemeint) am Umsatz bzw. hat sich der Rohertrag relativ zum Umsatz in den letzten 2-3 Jahren geändert? Wenn ja, in welche Richtung (höher / niedriger)?
- Worauf sind evtl. Änderungen zurückzuführen, auf Mengen- oder Preisänderungen, einer Kombination von beiden (wenn ja, mit welchem Anteil?)?
- Gibt es spezifische Kennzahlen, mit denen im Einkauf geplant und gesteuert wird? Welche?
- Ist die Zusammensetzung (Formeln) der Kennzahlen allen Beteiligten ...