Leitsatz
Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kfz-Steuer ist eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn das Fahrzeug, für dessen Halten die Kfz-Steuer geschuldet wird, Teil der Insolvenzmasse ist.
Normenkette
§ 33, § 34 AO, § 35 Abs. 1, § 36, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 80 InsO, § 7 Nr. 1 KraftStG, § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO
Sachverhalt
Der Kläger wurde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des X (Schuldner) zum Treuhänder bestellt. Der Schuldner ist als Arbeitnehmer tätig und besucht außerhalb der Arbeitszeit eine Technikerschule. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens war auf den Schuldner ein Kraftrad zugelassen. Das FA setzte die Kfz-Steuer gegen den Kläger als Treuhänder über das Vermögen des Schuldners fest. Dem Vorbringen des Klägers, das Kraftrad gehöre wegen der Pfändungsbeschränkungen des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht zur Insolvenzmasse, sodass die Kfz-Steuer keine Masseverbindlichkeit sei, folgte das FA nicht. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg, weil für den Kläger als Halter des Kraftrads dessen Verwendung im Rahmen der Insolvenzmasse unwiderlegbar vermutet werde (FG Köln, Urteil vom 20.11.2008, 6 K 1746/08, Haufe-Index 2119693, EFG 2009, 615).
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung des FG auf. Im zweiten Rechtsgang hat das FG zu prüfen, ob das Fahrzeug insolvenzfrei war. Dazu müssen im Einzelnen die Merkmale geprüft werden, die gem. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO die Pfändungsfreiheit des Fahrzeugs begründen.
Hinweis
1. Die Praxis der Insolvenzverwaltung sieht sich häufig mit der Frage konfrontiert, unter welchen Voraussetzungen die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 InsO zu behandeln ist. Dies beurteilt sich nunmehr allein danach, ob das Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist.
Damit richtet sich die Entscheidung darüber, ob nach Insolvenzeröffnung entstandene Kfz-Steuer gegen den Insolvenzverwalter oder gegen den Schuldner festzusetzen ist, allein nach insolvenzrechtlichen Kriterien: Gehört ein Fahrzeug zur Insolvenzmasse, ist die Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit allein gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen. Gehört ein Fahrzeug hingegen – z.B. wegen Unpfändbarkeit – nicht zur Insolvenzmasse, muss das FA die Kfz-Steuer gegen den Schuldner festsetzen.
2. Eine Masseverbindlichkeit ergibt sich nicht allein daraus, dass ein Fahrzeug für die Masse genutzt wird. Vielmehr liegt eine Masseverbindlichkeit nur vor, wenn die Abgabenforderung einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist und erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde. Diese Voraussetzungen erfüllt die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kfz-Steuer, wenn das Fahrzeug nach § 80 InsO der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt. Der Insolvenzverwalter kann in diesem Fall selbst über die weitere Verwendung und Verwertung des Fahrzeugs bestimmen. Er hat es in diesem Fall auch selbst in der Hand, das Fahrzeug z.B. zu veräußern oder außer Betrieb zu setzen und damit die Entstehung künftiger Kfz-Steuer zu verhindern.
3. Die vorstehenden Einwirkungsmöglichkeiten stehen einem Insolvenzverwalter jedoch nicht zur Verfügung, wenn ein Fahrzeug gem. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPOunpfändbar ist. Ein solches Fahrzeug gehört gem. § 36 InsO nicht zur Insolvenzmasse und unterliegt daher auch nicht der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters.
4. Mit dem Besprechungsurteil hat der BFH seine abweichende frühere Rechtsprechung, wonach die Rechtsposition als Halter eines Kfz stets zur Insolvenzmasse gehörte, aufgegeben. Die Rechtsposition als Halter ist kein geldwertes Recht oder Gut und damit auch kein Vermögen i.S.d. § 35 InsO. Damit für die bislang angenommene unwiderlegbare Vermutung, ein Fahrzeug werde im Rahmen der Insolvenzmasse verwendet, künftig kein Raum mehr.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.04.2011 – II R 49/09