Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Bei der Prüfung der Frage, ob Einkünfte und Bezüge eines volljährigen, in Ausbildung befindlichen Kindes den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG übersteigen, sind Geldzuwendungen von dritter Seite jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie zur Kapitalanlage bestimmt sind.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin bezog für die Zeit von Januar 2000 bis Juli 2000 Kindergeld für ihre beiden 1978 und 1981 geborenen Söhne. Beide Söhne befanden sich im Jahr 2000 in Schul- bzw. Berufsausbildung.
Im April 2000 erhielten die beiden Söhne von einer mit ihnen nicht verwandten Person je ein Geldgeschenk in Höhe von 20.295 DM. Das Geld war zur langfristigen Kapitalanlage bestimmt und sollte nach abgeschlossener Ausbildung als Starthilfe in das Berufsleben dienen. Dementsprechend haben die Söhne das Geld in Wertpapieren angelegt. Aus dieser Anlage bezogen sie im Jahr 2000 Zinsen in Höhe von jeweils 85,78 DM. Weiteres Vermögen und eigene Einkünfte hatten sie nicht.
Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass Geldgeschenke zu den Bezügen i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gehörten und der Grenzbetrag i.S. dieser Regelung überschritten sei.
Entscheidung
FG (EFG 2002, 922) und BFH gaben der Klage statt. Der BFH verwies zur Begründung im Wesentlichen auf seine Entscheidungen zur Berücksichtigung von Vermögen behinderter Kinder (u.a. auf das BFH-Urteil vom 19.8.2002 VIII R 51/01, BStBI II 2003, 91).
Hinweis
Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom 19.8.2002, VIII 51/01 (BFH-PR 2003, 53) entschieden, dass Eltern sich das Vermögen ihrer behinderten Kinder nicht anrechnen lassen müssen. Er hat schon damals darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis aus der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG getroffenen Regelung herzuleiten sei, dass für Kinder in Ausbildung nur "Einkünfte und Bezüge", nicht aber auch "Vermögen" zu berücksichtigen sei. Damit erweist sich diese Vorschrift als der Grundtatbestand für die zumutbaren eigenen Leistungen der beim Familienleistungsausgleich berücksichtigungsfähigen Kinder.
Die Nichtberücksichtigung des Vermögens ist zwar für die Kindergeldberechtigten günstig; sie wird aber nicht jedem ohne weiteres einleuchten. Der BFH sieht die Verantwortung für die Wertungswidersprüche beim Gesetzgeber; denn diesem war die Rechtsprechung des BGH zum Unterhaltsrecht, nach der ein volljähriges Kind grundsätzlich verpflichtet ist, sein Vermögen zur Deckung seines Lebensunterhalts einzusetzen, ebenso bekannt wie die in § 33a EStG getroffene Regelung, nach der Aufwendungen für den Unterhalt als außergewöhnliche Belastung nur zu berücksichtigen sind, wenn das Kind kein oder nur geringfügiges Vermögen besitzt. Es hätte deshalb in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einer klaren Regelung zur Anrechnung des Kindesvermögens bedurft.
Zu beachten ist aber, dass das Urteil des BFH nur die Zuwendung von Geldbeträgen betrifft, die das Kind zur Kapitalanlage verwenden soll. Offen ist noch die Frage, wie einmalige oder gelegentliche Geldzuwendungen von dritter Seite zu behandeln sind, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind und nicht unter die Ausnahmeregelung des § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG fallen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.1.2004, VIII R 21/02