Leitsatz
Das freiwillige soziale Jahr und das freiwillige ökologische Jahr werden aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung des bzw. der Freiwilligen mit einem anerkannten Träger bis zur Dauer von in der Regel zwölf zusammenhängenden Monaten geleistet. Diese formale Voraussetzung ist für die Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG zwingend erforderlich.
Sachverhalt
Der Kläger bezog laufend Kindergeld für seine am 20. 7. 1986 geborene Tochter, die sich bis Ende des Schuljahres 2005/2006 in Schulausbildung an der Fachoberschule befand. Im Rahmen der Überprüfung der weiteren Anspruchsberechtigung für Kindergeld teilte der Kläger mit, die Tochter beabsichtige in der Zeit ab 15.9.2006 einen einjährigen freiwilligen Dienst als "Missionarin auf Zeit" in Ecuador abzuleisten. Träger seien die Missionsdominikanerinnen, die allerdings als Träger für einen freiwilligen sozialen Dienst im Ausland nicht förmlich zugelassen seien. Mit Bescheid vom 24.8.2006 hat die Familienkasse die Bewilligung von Kindergeld für die Tochter ab August 2006 aufgehoben. Im Einspruchsverfahren hat die Familienkasse aufgrund des vorgelegten Praktikantenvertrags die Tätigkeit als Missionarin auf Zeit für die Dauer von sechs Monaten als Berufsausbildung anerkannt und Kindergeld bis einschließlich März 2007 bewilligt. Im Klageverfahren begehrt der Kläger die Gewährung von Kindergeld bis einschließlich September 2007.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG hat die Familienkasse zu Recht die Bewilligung von Kindergeld über den Monat März 2007 hinaus abgelehnt. Im Streitfall fehlt es für die Anerkennung des Praktikums als soziales Jahr bereits an einer schriftlichen Vereinbarung zwischen der Tochter des Klägers und einem anerkannten Träger mit Sitz im Inland. Diese formale Voraussetzung ist für die Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG zwingend erforderlich. Die Familienkasse hat auch zu Recht den Dienst als Missionarin auf Zeit nicht als Berufsausbildung (berufsbezogenes Praktikum) beurteilt, soweit er über die Dauer von sechs Monaten hinausgeht. Obwohl den Eltern und dem Kind nach der Rechtsprechung des BFH (BFH, Urteil v. 14.1.2000, VI R 11/99, BStBl 2000 II S. 199) bei der Gestaltung der Ausbildung ein breiter Entscheidungsspielraum zusteht, kann die Tätigkeit als Missionarin auf Zeit nicht ohne weiteres als Berufsausbildung oder als berufsvorbereitendes Praktikum angesehen werden. Es handelt sich nämlich um einen reinen sozialen Hilfsdienst ohne konkreten Bezug auf einen zu ergreifenden Beruf.
Hinweis
Das FG hat die Revision nicht zugelassen, doch die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hatte Erfolg. Der BFH hat nun die Fragen zu klären, ob die analoge Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG verfassungsrechtlich notwendig ist und unter welchen Voraussetzungen ein freiwilliger Dienst als Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG anzusehen ist. Betroffene sollten daher bei ähnlich gelagerten Sachverhalten Kindergeldanträge stellen und gegen die Ablehnung Einspruch einlegen, sowie unter Hinweis auf das Revisionsverfahren III R 41/07 das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragen.
Link zur Entscheidung
FG Nürnberg, Urteil vom 01.02.2007, VI 285/2006