BfF v. 1.2.2000, St I 4 - S 2280 - 2/2000, BStBl. 2000 I, S. 319

 

1. Kindergeld für behinderte Kinder i.S. d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG; aktuelle Rechtsprechung des BFH

 

a) Kindergeldanspruch gemäß § 66 Abs. 1 S. 1 EStG 2000

Der Bundesfinanzhof hat in drei rechtskräftigen Entscheidungen über den Kindergeldanspruch für behinderte Kinder entschieden. Ein vollstationär untergebrachtes behindertes Kind ist demzufolge erst dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung des gesamten notwendigen Lebensbedarfs ausreicht. Hierzu sind der gesamte Lebensbedarf des Kindes sowie dessen finanzielle Mittel zu vergleichen. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG muss auch bei einem solchen Kind die Summe der Einkünfte und Bezüge ermittelt und das anrechenbare Vermögen berücksichtigt werden.

Soweit ein vollstationär untergebrachtes Kind außer Eingliederungshilfe einschließlich Taschengeld über keine weiteren Einkünfte oder Bezüge sowie einzusetzendes Vermögen verfügt, kann aus Vereinfachungsgründen davon ausgegangen werden, dass die eigenen Mittel des Kindes nicht ausreichen, sich selbst zu unterhalten.

Zusätzliche durch amtsärztliches Attest bestätigte persönliche Betreuungsleistungen der Eltern sowie entstandene Fahrtkosten (vgl.H 186 – 189 EStH 1998) können als Mehrbedarf in Betracht kommen. Diese Kosten sind auch neben dem Pauschbetrag für Behinderte abzugsfähig. Das Pflegegeld ist nicht auf den Pauschbetrag für Behinderte anzurechnen.

Zur Erleichterung der Ermittlung des Kindergeldanspruchs dient der in der Anlage beigefügte Berechnungsbogen mit Erläuterungen. Die DA-FamEStG wird insoweit überarbeitet.

Sofern die Fallgestaltung eindeutig und der behinderungsbedingte Mehrbedarf unstreitig ist, bitte ich wie folgt zu verfahren:

Wurde die Festsetzung aufgehoben, können die Kindergeldberechtigten einen Neuantrag stellen. In diesen Fällen ergeht eine rückwirkende Festsetzung. Die Rückwirkung reicht so weit, wie keine andere Festsetzung entgegensteht, längstens bis zum Juli 1997, sofern die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, § 52 Abs. 62 EStG.

Im Falle eines Einspruchsverfahrens ist nach den o.g. Kriterien die Fähigkeit des behinderten Kindes, sich selbst zu unterhalten, neu zu ermitteln. § 77 EStG ist zu beachten. Ist bereits ein Klageverfahren anhängig, muss die Familienkasse, wenn sie aufgrund ihrer Ermittlungen die Fähigkeit zum Selbstunterhalt verneint, den Kindergeldberechtigten klaglos stellen. Dies gilt nicht für Einspruchs- oder Klageverfahren, in denen es auch um die Befugnis des Sozialhilfeträgers geht, Einspruch bzw. Klage einzulegen.

 

b) Teilkindergeld i.S.d. § 66 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 6 S. 2 EStG 2000

Für ein vollstationär untergebrachtes Kind, das Eingliederungshilfe erhält und dessen sächliches Existenzminimum durch die Sozialhilfeleistungen gedeckt ist, besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes ein Anspruch auf Teilkindergeld in Höhe von 30 DM, wenn keine Heranziehung der Eltern nach § 43 Abs. 2 oder § 91 BSHG durch den Sozialhilfeträger erfolgt. Aufgrund der oben zitierten Rechtsprechung des BFH wird diese Vorschrift nur in wenigen Fällen anwendbar sein.

Auf Antrag ist der Anspruch auf Kindergeld neu zu prüfen.

 

2. Das aktuelle Kindergeld-Merkblatt 2000 wurde den Neuerungen des Gesetzes und der Rechtsprechung angepasst.

(Anm. d. Red. siehe)

 

Normenkette

EStG § 32

 

Fundstellen

BStBl I, 2000, 319

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge