Leitsatz
1. Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags ist Voraussetzung für die Anerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Kann ein vorläufiger Jahresabschluss der Organgesellschaft wegen Insolvenz nicht mehr korrigiert werden und wäre bei zutreffender Anwendung der handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze im endgültigen Jahresabschluss ein anderes Ergebnis auszuweisen, kann diese Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags ungeachtet der Insolvenz nicht in (analoger) Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG"geheilt" werden.
2. Kommt es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags, führt dies nicht nur zu einer Unterbrechung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft für einzelne Veranlagungszeiträume, sondern insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.
Normenkette
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 bis 4 KStG
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1.6.2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Holding-GmbH. Diese hielt sämtliche Geschäftsanteile der X‐GmbH. Beide Gesellschaften gehörten zum Konzern der … AB (Konzern). Die Holding-GmbH hatte die Aufgabe, in bestimmten Ländern die Geschäfte des Konzerns zu finanzieren. Die X‐GmbH war Alleingesellschafterin der Y‐GmbH und hielt darüber hinaus weitere Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften.
Am 30./31.10.2006 schlossen die Holding-GmbH als Organträgerin und die X‐GmbH als Organgesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (EAV), der am 19.12.2006 in das Handelsregister der X‐GmbH eingetragen wurde. Der EAV sollte erstmals auf das am 29.12.2005 beginnende Geschäftsjahr der X‐GmbH Anwendung finden und war für die Dauer von fünf Zeitjahren vereinbart. Nach § 5 EAV entstand der Anspruch der Holding-GmbH gegen die X‐GmbH auf Abführung des Jahresüberschusses zum Stichtag des Jahresabschlusses eines jeden Geschäftsjahres und wurde mit der Feststellung des jeweiligen Jahresabschlusses der X‐GmbH fällig. Dagegen wurde der Anspruch der X‐GmbH gegen die Holding-GmbH auf Ausgleich eines Jahresfehlbetrags bereits mit seiner Entstehung zum Stichtag des Jahresabschlusses der X‐GmbH fällig.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 26.10.2006 wurde das Geschäftsjahr der X‐GmbH auf das Kalenderjahr umgestellt, sodass vom 29.12.2006 bis 31.12.2006 ein Rumpfwirtschaftsjahr entstand. Die X‐GmbH und die Y‐GmbH schlossen im Jahr 2008 ebenfalls einen EAV.
Die Holding-GmbH und die X‐GmbH waren in ein "Cash Pooling"-System des Konzerns eingebunden, das aus zwei voneinander getrennten Cash Pools bestand. Einer dieser beiden Cash Pools wurde bei der … Bank geführt und über ein Hauptzielkonto der Holding-GmbH abgerechnet. Im Rahmen dieses Cash Pools wurde der Saldo des Cash-Clearing-Kontos der X‐GmbH jeweils am Tagesende um 24:00/0:00 Uhr auf das Konto der Holding-GmbH umgebucht (physischer Cash Pool).
Am 6.3.2009 beantragten die Holding-GmbH und die X‐GmbH – wie auch einen Tag zuvor die … Gesellschaften des Konzerns – die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin ordnete das Amtsgericht (AG) die vorläufige Insolvenzverwaltung an; die Verfügungen des Insolvenzschuldners waren danach nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (§ 21 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 2 InsO). Am 1.6.2009 eröffnete das AG die Insolvenzverfahren über die Vermögen der Holding-GmbH und der X‐GmbH. Als Insolvenzverwalter wurden bei der Holding-GmbH der Kläger und bei der X‐GmbH der Beigeladene bestellt. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung lagen die festgestellten Jahresabschlüsse für 2006 und 2007 sowie der Entwurf eines Jahresabschlusses zum 31.12.2008 vor.
Für die Jahre 2006 und 2007 (Streitjahre) hatte die Holding-GmbH zunächst Steuererklärungen unter Berücksichtigung einer körperschaft- und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft mit der X‐GmbH als Organgesellschaft eingereicht. Für die X‐GmbH ergaben sich für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 ein abzuführender handelsrechtlicher Jahresüberschuss von … EUR und für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 29.12.2006 bis zum 31.12.2006 ein auszugleichender Jahresfehlbetrag von … EUR; im Wirtschaftsjahr 2007 erzielte die X‐GmbH einen Verlust von … EUR.
Das FA erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entsprechende KSt- und GewSt-Messbescheide. Die festgesetzte KSt sowie die GewSt sind vollständig gezahlt.
Am 2.11.2011 reichte der Kläger für die Streitjahre geänderte Steuererklärungen ein. Da der EAV nicht während der gesamten Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren tatsächlich durchgeführt worden sei, entfalle die Organschaft rückwirkend auch für die Streitjahre.
Im Anschluss an eine Außenprüfung bei der Holding-GmbH und der X‐GmbH lehnte das FA mit den Bescheiden vom 20.4.2016 den Erlass entsprechender Änderungsbescheide für die Streitjahre ab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Ein Einspruch blieb erfolglos.
Das FG wies die hierg...