Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Aufwendungen, die ein Erbe für die Erstellung eines Verkehrswertgutachtens zum Nachweis eines niedrigeren Grundbesitzwertes trägt, sind nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.
Sachverhalt
Die Klägerin erbte Grundbesitz, der mit den vom zuständigen Finanzamt festgestellten Grundbesitzwerten (§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Nr. 1 BewG) der Erbschaftsteuer zugrunde gelegt wurden. Im Rechtsbehelfsverfahren wies die Erbin durch Gutachten niedrigere gemeine Werte nach § 138 Abs. 4 BewG nach, die von der Finanzverwaltung auch bei der Berechnung der Erbschaftsteuer berücksichtigt wurden.
Im Verfahren zur Festsetzung der Erbschaftsteuer begehrte die Klägerin die Berücksichtigung der Kosten für die Erstellung der Verkehrswertgutachten als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG. Das Finanzamt verwehrte den Abzug mit dem Hinweis, dass es sich um Rechtsverfolgungskosten handelt, die nach § 10 Abs. 8 ErbStG nicht abzugsfähig sind. Dagegen richtete sich die Klage.
Entscheidung
Das Gericht hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen.
Grundsätzlich sind die Kosten für die aufgrund öffentlich rechtlicher Verpflichtung abzugebende Erbschaftsteuererklärung als Nachlassregelungskosten zum Abzug zugelassen, § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG. Keine Nachlassregelungskosten sind dagegen Aufwendungen, die in einem sich an die Steuerfestsetzung anschließenden Rechtsbehelfsverfahren oder einem finanzgerichtlichen Verfahren anfallen und vom Erwerber zu tragen sind. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den Kosten zur Bewertung von Grundbesitz zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts um Aufwendungen, die die Festsetzung der Erbschaftsteuer der Klägerin betreffen, und deshalb unter den Regelungsbereich des § 10 Abs. 8 ErbStG fallen. Danach ist die vom Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig.
Anders als die Kosten für die notwendig abzugebende Erbschaftsteuererklärung ist der Erwerber nicht verpflichtet, einen niedrigeren gemeinen Wert im Besteuerungsverfahren nachzuweisen. § 138 Abs. 4 BewG räumt der Klägerin vielmehr nur die Möglichkeit ein, durch den Nachweis eines unter dem festgestellten Grundbesitzwert liegenden Verkehrswerts eine niedrigere Erbschaftsteuerfestsetzung zu erreichen. Es handelt sich insofern in der Sache um Rechtsverfolgungskosten, die die vom Erben zu tragende eigene Erbschaftsteuer betreffen.
Hinweis
Für alle Erwerbe bis zum 31.12.2008 konnte der Erwerber im Rahmen der Grundbesitzwertermittlung nach § 138 Abs. 4 BewG - im Regelfall durch einen Verkaufspreis innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt oder durch ein Verkehrswertgutachten - einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen. Bei allen Erwerben, die ab dem 1.1.2009 den neuen Bewertungsregelungen unterliegen, ergibt sich vergleichbares über § 198 BewG.
Eines der tragenden Argumente in dem Urteil des Finanzgerichts war, dass die Klägerin die Verkehrswertgutachten erst im Rahmen der Einspruchsverfahren gegen die Grundbesitzwerte mit dem Ziel der Herabsetzung der Werte eingeholt hat. Schon deshalb seien die Gutachterkosten als Kosten der Rechtsverfolgung und nicht als Aufwendungen für die abzugebende Erbschaftsteuererklärung anzusehen. Im Ergebnis muss aber fraglich sein, ob tatsächlich Unterschiede zu machen sind, ob der niedrigere gemeine Wert gleich im (erstmaligen) Veranlagungsverfahren geltend gemacht wird oder erst im Rechtsbehelfsverfahren.
Anders ist es in jedem Fall bei den Kosten zur Bewertung von Grundstücken im Zusammenhang mit der Erbauseinandersetzung. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 9.12.2009, II R 37/08, BStBl 2010 II S. 489) sind Aufwendungen für die Bewertung von im Nachlass befindlichen Grundstücken durch Sachverständige zum Zweck der Erbauseinandersetzung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig.
Das Finanzgericht hat zur Fortbildung des Steuerrechts Revision beim BFH zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 21.06.2012, 3 K 2835/11 Erb