Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Wird neben der Ausführung einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung zwischen den Vertragsparteien noch eine Finanzierung des Leistungsentgelts vereinbart, stellt sich umsatzsteuerrechtlich die Frage, ob es sich um eine einheitliche Leistung oder um verschiedene Leistungen handelt. Diese Frage ist für die Entstehung der Umsatzsteuer deshalb so bedeutend, weil die auf die Finanzierung entfallenden Entgeltsteile regelmäßig nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreie Umsätze darstellen würden, wenn es sich um getrennte Leistungen handelt. Die Finanzverwaltung ändert hier unter Berücksichtigung der Rechtsprechung von BFH und EuGH ihre Rechtsauffassung.
Die rechtliche Problematik
Führt ein Unternehmer gegenüber einem Leistungsempfänger eine Lieferung oder sonstige Leistung aus und finanziert er gleichzeitig die von ihm ausgeführte Leistung, kann es sich um eine einheitliche Leistung (Haupt- und Nebenleistung) handeln, deren umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen sich dann nach den Bedingungen für die Hauptleistung richten. Da die Finanzierungsleistungen in diesen Fällen regelmäßig als Nebenleistungen angesehen werden, unterliegen die Finanzierungszinsen ebenfalls – wie die Hauptleistung – der Umsatzsteuer. Wird hingegen von trennbaren Leistungen ausgegangen, unterliegt die Finanzierung (und damit die für die Finanzierung gewährten Zinsen) der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG.
Soweit der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der die Finanzierungsleistung für Zwecke seines Unternehmens bezieht, kann der leistende Unternehmer auf die Steuerbefreiung verzichten. Ist der Leistungsempfänger kein Unternehmer bzw. ein Unternehmer, der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ist die Option entweder nicht möglich bzw. nicht wirtschaftlich sinnvoll. In diesen Fällen muss jeweils geprüft werden, ob einheitliche oder zu trennende Leistungen vorliegen.
Der BFH hatte schon 2013 entschieden, dass ein Unternehmer, der an ein Studentenwerk im Rahmen eines "Public-Private-Partnership-Projekts" eine Bauleistung erbringt, die mit einer 20-jährigen Finanzierung des Bauvorhabens durch ihn verbunden ist, neben der Werklieferung eine eigenständige steuerfreie Kreditgewährung an das Studentenwerk ausführt. Das gilt nach ausdrücklicher Feststellung des BFH auch dann, wenn in der zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarung kein Jahreszins angegeben worden ist.
Der BFH hat sich damit gegen die früher von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung gewandt. Bisher verlangte die Finanzverwaltung ausdrücklich auch die Angabe des Jahreszinses in der zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarung.
Die Entscheidung des BFH war maßgeblich durch unionsrechtliche Auslegungen geprägt. Der EuGH hatte schon 2013 in einem Verfahren, in dem es um Leasinggeschäfte ging, festgestellt, dass die in der Versicherung eines Leasingobjekts bestehende Dienstleistung und die im Leasing selbst bestehende Dienstleistung umsatzsteuerlich grundsätzlich als eigene und selbstständige Dienstleistungen behandelt werden müssen. Allerdings hatte er es dann den nationalen Gerichten überlassen, festzustellen, ob die Umsätze derart miteinander verbunden sind, dass sie als einheitliche Leistung angesehen werden müssen, oder ob sie im Gegenteil selbständige Leistungen darstellen.
Der BFH hatte in der Folge entschieden, dass eine Werklieferung und eine Finanzierung derselben grundsätzlich nicht als derart eng miteinander verbunden angesehen werden können, dass sie einen einheitlichen Umsatz bilden. Auch wenn die Finanzierung die Realisierung des angestrebten Bauvorhabens erleichtere, sei davon auszugehen, dass sie im Wesentlichen einen eigenen Zweck erfüllt und nicht nur das Mittel darstellt, um die Werklieferung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung passt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung den UStAE an und regelt, dass im Falle der Kreditgewährung im Zusammenhang mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung der leistende Unternehmer grundsätzlich jeweils eigene selbständige Leistungen erbringt. Die naturgemäße Verbindung des Kreditgeschäfts zu der Lieferung oder sonstigen Leistung reicht für sich genommen für die Annahme einer einheitlichen Leistung nicht aus. Ob mehrere, voneinander unabhängige Leistungen oder eine einheitliche Gesamtleistung vorliegen, ist im konkreten Einzelfall unter Beachtung objektiver Abgrenzungskriterien zu beurteilen. Anhaltspunkte, die für die Annahme mehrerer selbständiger Leistungen sprechen, sind dabei u. a.:
- gesonderte Vereinbarung von Lieferung oder sonstiger Leistung und Kreditgewährung;
- eigenständige Bildung von Leistungspreisen;
- gesonderte Rechnungsstellung.
Die bisher von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, dass in der Vereinbarung über die Kreditgewährung auch der Jahreszins mit angegeben werden muss, ist aufgehoben worden.
Zur Frage der Finanzi...