Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Sozialauswahl. Herausnahme aus der Sozialauswahl. Insolvenzverwalterkündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG gegen das betriebliche Interesse an der Herausnahme des Leistungsträgers abzuwägen. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 3; InsO § 125

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 20.06.2002; Aktenzeichen 3 Ca 589/02)

 

Tenor

1) Die Berufung des Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Essen vom20.06.2002 – 3 Ca 589/02 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten.

Der am 29.09.1960 geborene Kläger, der verheiratet ist und ein unterhaltsberechtigtes Kind zu versorgen hat, ist seit dem 07.01.1991 bei der Firma B. GmbH & Co. KG, der jetzigen Insolvenzschuldnerin, als Kommissionierer beschäftigt. Er war zuletzt im Bereich „Tiefkühl/Frische” am Standort E. eingesetzt und bezog ein Bruttomonatsgehalt von 2.500,– EUR.

Nachdem die Insolvenzschuldnerin unter dem 29.10.2001 Insolvenzantrag gestellt hatte, eröffnete das Amtsgericht Essen mit Beschluss vom 01.01.2002 das Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Dieser schloss am 09.01.2002 mit dem bei der Insolvenzschuldnerin bestehenden Betriebsrat und der weiteren Beteiligten, der Firma L. GmbH & Co. KG (im Weiteren „Firma L.” genannt) einen Interessenausgleich mit Namensliste, in dem unter § 1 unter anderem folgendes vereinbart wurde:

§ 1

Mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 01.01.2002 wurde über das Vermögen der B. GmbH & Co. KG Frischdienst-Zentrale das Insolvenzverfahren eröffnet (163 IN 43/01). Regelungsgegenstand dieses Interessenausgleichs ist die Verfahrensabwicklung unter Einbeziehung der Übernahme einzelner Bereiche und Arbeitnehmer durch die weitere Beteiligte. Diese beabsichtigt, die Geschäftsbereiche „Tiefkühl” und „Frische” am Standort E. auf der Basis der Machbarkeitsstudie der E. & Y. Deutsche Allgemeine Treuhand AG mit den dort erwähnten Prämissen fortzuführen und insgesamt 28 Mitarbeiter der Schuldnerin zu übernehmen, nämlich in dem Bereich Tiefkühl/Frische 22, in der Verwaltung 5 und in der Geschäftsleitung einen Mitarbeiter. Diese Mitarbeiter sind in der Personalplanung des Nachfolgekonzepts namentlich aufgeführt und abteilungsmäßig zugeordnet. Diese Personalplanung ist diesem Interessenausgleich als Anlage 1 a beigefügt und dessen wesentlicher Bestandteil. Die Machbarkeitsstudie ist dem Betriebsrat bekannt, auf dessen Inhalt wird hier nochmals Bezug genommen.

Hinsichtlich der Auswahl der Mitarbeiter, die von der weiteren Beteiligten weiterbeschäftigt werden gegenüber den Mitarbeitern, die nicht weiterbeschäftigt werden können, wird auf die Ausführungen in den Anlagen 1 a und b Bezug genommen. Die Gegenüberstellung der Mitarbeiter erfolgt auf den jeweiligen Ebenen (1–15). Hinsichtlich der von der weiteren Beteiligten zu übernehmende Mitarbeiter wird auf die besonderen betrieblichen Belange abgestellt, die in der Liste 1 a in der Spalte „besondere Kenntnisse” für jeden einzelnen Mitarbeiter dargestellt sind.

Wegen des weiteren Inhalts des Interessenausgleichs und seiner Anlagen wird auf Blatt 43 ff. der Akten verwiesen.

Am 26.02.2002 schlossen der Beklagte und der Betriebsrat der Insolvenzschuldnerin darüber hinaus einen Sozialplan, der unter anderem die Zahlung von Abfindungen für zu kündigende Arbeitnehmer vorsieht (vgl. hierzu Bl. 67 ff. d.A.).

Bereits am 15.01.2002 hat der Beklagte den Betriebsrat zur Kündigung des Klägers und anderer Mitarbeiter angehört. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 16.01.2002 erklärt, dass er keine Stellungnahme abgeben werde.

Mit Schreiben vom 23.01.2002 kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.04.2002.

Mit seiner am 08.02.2002 beim Arbeitsgericht Essen anhängig gemachten Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend gemacht, die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten und eine fehlerhafte Sozialauswahl gerügt.

Er hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristgerechte Kündigung seitens des Beklagten vom 23.01.2002 nicht (zum 30.04.2002) beendet worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat hinsichtlich der Anhörung des Betriebsrats auf sein Anschreiben vom 15.01.2002 verwiesen und behauptet, dass der Betriebsrat hiernach über alle wesentlichen Fakten der Kündigung des Klägers hinreichend informiert worden wäre.

Im Übrigen hat sich der Beklagte zur Kündigung selbst auf betriebsbedingte Gründe berufen und ausgeführt, der Standort E. der Insolvenzschuldnerin sei mit Wirkung zum 01.01.2002 geschlossen worden. Bis zum 15.03.2002 seien nur noch Lager- u...

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