Leitsatz (amtlich)
Der Hinweis des vorläufigen – „schwachen” – Insolvenzverwalters gegenüber einem Arbeitnehmer auf seine persönliche Versicherung als Gewähr für die Sicherheit der Auszahlung künftiger Lohnansprüche im Falle der Betriebsfortführung verpflichten ihn bei späterer Masseunzulänglichkeit nicht zur Zahlung des Lohnes aus eigenem Vermögen. Allerdings begründet eine solche Erklärung die persönliche Haftung wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung aus Vertrauensstellung.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 311 Abs. 3, § 280 Abs. 1 S. 1, § 249 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Urteil vom 03.04.2007; Aktenzeichen 1 Ca 2148/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 03.04.2007 – 1 Ca 2148/06 – wird auf die Berufung des Beklagten teilweise abgeändert und der Tenor insoweit zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1 046,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.11.2006 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt zu 78 Prozent und der Beklagte zu 22 Prozent die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision gegen diese Entscheidung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche des Klägers gegen den Beklagten in seiner damaligen Funktion als vorläufiger – sogenannter schwacher – Insolvenzverwalter.
Der Kläger war auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 21.06.1999 bei der W.A., E. und R. GmbH (künftig Gemeinschuldnerin) als Baggerfahrer beschäftigt. Dessen Geschäftsführer war am 05.09.1998 wegen Unzuverlässigkeit der Betrieb eines Gewerbes untersagt worden. Mit dem am 20.11.2002 bestandskräftigen Beschluss der Hansestadt Rostock vom 25.01.2002 war zudem gegenüber der Gemeinschuldnerin eine Gewerbeuntersagung ausgesprochen worden. Gleichwohl betrieb die Gemeinschuldnerin ihre Geschäfte fort. Ab April 2004 erhielt der Kläger keinen Lohn mehr.
Im Juni 2004 und Juli 2004 beantragten zwei Krankenkassen (offene Forderungen von insgesamt 99 846,43 EUR) die Einleitung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Mit Beschluss vom 11.08.2004 beauftragte das Amtsgericht Rostock den Beklagten mit der Erstellung eines Gutachtens über die Massezulänglichkeit. Mit Beschluss vom 20.08.2004 bestellte das vorgenannte Gericht den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Gemeinschuldnerin (sogenannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter; Blatt 45, Blatt 46 d.A.).
Anlässlich eines Gespräches am 12.08.2004 teilte der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin dem Beklagten mit, dass diese gewerblich gemeldet sei und es insgesamt keine Probleme gebe.
Am 23.08.2004 rief der Beklagte in seiner Funktion als vorläufiger Insolvenzverwalter eine Belegschaftsversammlung ein und erklärte, dass er die Geschäftstätigkeit angesichts der Auftragslage fortsetzten werde. Außerdem verteilte er das „Merkblatt für Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren” (Blatt 47 d.A.) an die anwesenden Mitarbeiter und so auch an den Kläger, welches u.a. unter Ziffer 5 Abs. 2 und 3 wie folgt lautet:
„Soweit die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens nach § 54 InsO (Gerichtskosten und Vergütung des Insolvenzverwalters) zu decken oder die Insolvenzmasse nach Deckung der Kosten aufgebraucht ist, können auch die Löhne der Arbeitnehmer nach Verfahrenseröffnung nicht befriedigt werden.
Soweit die Masse nicht ausreicht, alle weiteren Masseverbindlichkeiten vollständig zu befriedigen, werden die weiteren Masseverbindlichkeiten und damit auch die Löhne der Arbeitnehmer nach Verfahrenseröffnung nur quotal (teilweise) befriedigt.”
Mit Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 16.09.2004 erfolgte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin nebst Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter.
Der Kläger erhielt für die Zeit vom 15.06.2004 bis zum 16.09.2004 Insolvenzgeld.
Am 08.10.2004 erhielt der Beklagte positive Kenntnis von der Gewerbeuntersagung hinsichtlich der Gemeinschuldnerin. Mit Schreiben vom 25.10.2004 kündigte er das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.12.2004 und stellte ihn wegen Stilllegung des Geschäftsbetriebes zum 31.10.2004 mit Wirkung ab dem 01.11.2004 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. In der Zeit vom 01.11.2004 bis zum 31.12.2004 bezog der Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 23,25 EUR täglich. Arbeitsentgelt für die Zeit vom 17.09.2004 bis zum 31.10.2004 erhielt der Kläger nicht.
Mit Zwischenbericht vom 03.06.2005 zeigte der Beklagte gegenüber dem Amtsgericht Rostock Masseunzulänglichkeit hinsichtlich der Gemeinschuldnerin an.
Das Arbeitsgericht Rostock hat über die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe während der Belegschaftsversammlung am 23.08.2004 auf die Frage des Arbeitnehmers K., ob die Lohnzahlung bei Fortsetzung der Tätigkeit tatsächlich gesichert sei, erklä...