Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönliche Haftung des Insolvenzverwalters
Orientierungssatz
1. Da es keinen eigenständigen Kündigungsgrund „Insolvenz” gibt, darf ein Insolvenzverwalter grundsätzlich den Stillegungsbeschluss der Gläubigerversammlung abwarten, ehe er im Anwendungsbereich des KSchG betriebsbedingte Kündigungen ausspricht. Darin liegt selbst dann keine haftungsbegründende Pflichtverletzung im Sinne des § 61 InsO – Verstreichenlassen des frühestmöglichen Kündigungszeitpunkts –, wenn vor dem Beschluss der Gläubigerversammlung bereits absehbar war, dass die Masse voraussichtlich nicht zur Erfüllung der Lohnansprüche der zu kündigenden Arbeitnehmer ausreichen würde.
2. Da ein Insolvenzverwalter grundsätzlich in seiner Funktion für die Masse tätig werden will, kommt seine persönliche Haftung jenseits der §§ 60, 61 InsO nur dann in Betracht, wenn er über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für den Bestand und die Erfüllung des jeweiligen Rechtsgeschäfts bietet. Hierzu genügt es nicht, wenn er gegenüber mehreren Arbeitnehmern in Bezug auf deren Lohnansprüche äußert: „Vertraut mir, Ihr kriegt Euer Geld.”
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Der Streitwert wird auf 4.824,26 EUR festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine persönliche Haftung des Beklagten für Ansprüche der Klägerin auf ausstehende Vergütung.
Die Klägerin war seit dem 01.04.2006 mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.073,50 EUR bei der V beschäftigt, über deren Vermögen am 30.03.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte durch Beschluss des Amtsgerichts U zum Insolvenzverwalter bestellt wurde. Auf dem für den 09.07.2007 festgesetzten Berichtstermin wurde der Beklagte durch Beschluss der Gläubigerversammlung zur Einstellung des Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin ermächtigt. Bei diesem Berichtstermin war als gewählter Vertreter der Arbeitnehmer Herr T anwesend. Die zuständige Agentur für Arbeit hob mit Bescheid vom 11.07.2007, dem Beklagten über die Insolvenzschuldnerin zugeleitet am 16.07.2007, die Entlassungssperre gemäß § 18 KSchG unter Bezugnahme auf den unter dem 27.06.2007 bei ihr vom Beklagten gestellten Antrag nach § 17 KSchG auf und gestattete die wirksame Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit Ablauf des 28.07.2007.
Am 16.07.2007 fand bei der Insolvenzschuldnerin eine Betriebsversammlung statt, auf welcher der Beklagte die Einstellung des Geschäftsbetriebs zum 31.07.2007 für den Fall ankündigte, dass keine BQG zustande komme, was von einer Finanzierung seitens der Bank abhänge, mit der noch Verhandlungen geführt würden. Ab dem 01.08.2007 würden die Arbeitnehmer aber keinerlei Zahlungen mehr erhalten, sondern von ihrer Arbeit freigestellt; auf ihren Wunsch bestünde jederzeit die Möglichkeit zum sofortigen Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Ferner kündigte der Beklagte an, ab dem 17.07.2007 in Urlaub zu gehen und benannte Herrn F. und Frau H. für diese Zeit als Hauptansprechpartner für die Arbeitnehmer.
Am 17.07.2007 ging dem Beklagten ein Fax der Kreissparkasse S zu, in welchem diese mitteilte, angesichts der nunmehr zum 31.07. anstehenden Betriebsschließung einen bereits gewährten Massekredit in Höhe von 100.000,00 EUR gelöscht zu haben und für die Finanzierung einer BQG nicht zur Verfügung zu stehen.
Am 18.07.2007 kam es zu einer weiteren Betriebsversammlung der Insolvenzschuldnerin, auf welcher Herr F. die Arbeitnehmer aufforderte, sich um einen neuen Arbeitsplatz zu kümmern und ihnen die schriftliche Kündigung aushändigte. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin kündigte der Beklagte gemäß § 113 InsO i.V.m. § 622 BGB zum 15.08.2007. In dem Kündigungsschreiben heißt es unter anderem:
„In der Kündigungsfrist haben Sie Anspruch auf die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Vergütung. Ob diese gezahlt werden kann, hängt davon ab, ob die Insolvenzmasse tatsächlich zur Zahlung nicht in der Lage ist.”
Noch am selben Tag suchte die Klägerin mit einigen Kollegen Herrn F. in dessen Büro zu einem klärenden Gespräch auf. Der genaue Inhalt dieses Gesprächs ist zwischen den Parteien umstritten.
Mit Schreiben vom 10.08.2007 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Lohnansprüche für Juli 2007 vorerst nur mit einer Quote von 60% ausgezahlt werden könnten, da es für den Rest noch an der erforderlichen Liquidität der Insolvenzschuldnerin fehle. Dementsprechend wurden auch nur 60% des abgerechneten Betrages für Juli 2007 an die Klägerin ausbezahlt; für die Zeit vom 01.08. bis 15.08.2007 erhielt die Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 443,70 EUR. Am 15.10.2007 zeigte der Beklagte gegenüber dem Amtsgericht U Masseunzulänglichkeit an.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, der Beklagte hafte ihr persönlich für die Differenz zwischen der ihr zustehenden vollen Vergütung und dem ihr zur A...