Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Insolvenzverwalterkündigung. Freistellungsphase. Altersteilzeit. Blockmodell. Dringende betriebliche Erfordernisse

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Kündigung des Insolvenzverwalters wegen Betriebsstilllegung während der Freistellungsphase bei einer Altersteilzeitvereinbarung im Blockmodell ist nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt.

 

Normenkette

KSchG § 1; InsO § 113

 

Verfahrensgang

ArbG Lingen (Urteil vom 27.09.2001; Aktenzeichen 3 Ca 311/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 27.09.2001 – 3 Ca 311/01 – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 03.07.2001 zum 31.10.2001 beendet worden ist, sondern bis zum 31.01.2002 fortbestanden hat.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner am 19.07.2001 beim Arbeitsgericht Lingen eingegangenen Klage setzt sich der Kläger gegen eine Kündigung des Beklagten vom 03.07. zum 31.10.2001 zur Wehr. Er begehrt Feststellung des Fortbestehens seines Arbeitsverhältnisses bis zum 31.01.2002.

Der Kläger ist war seit dem 23.07.1969 bei der Gemeinschuldnerin als Arbeitnehmer tätig. Am 31.01.2001 schloss er mit ihr einen Altersteilzeitvertrag, aufgrund dessen er seine Tätigkeit im sog. Blockmodell weiter ausübte. Die Arbeitsphase dauerte vom 01.02.2000 bis zum 31.01.2001, die Freistellungsphase sollte vom 01.02.2001 bis zum 31.01.2002 andauern. Wegen des genauen Inhalts der Altersteilzeitvereinbarung wird auf die mit der Klageschrift überreichte Kopie (Bl. 3 bis 5 d.A.) Bezug genommen.

Am 01.06.2001 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 03.07.2001 kündigte der beklagte Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis gemäß § 113 InsO zum 31.10.2001.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei nicht gerechtfertigt, da es sich um einen zeitlich befristeten Vertrag handele, den er bereits in vollem Umfang erfüllt habe. Auch die Kündigungsbefugnis nach § 113 InsO stehe unter dem Vorbehalt des Grundsatzes von Treu und Glauben. Der Kläger hat behauptet, ihm sei zu einem Zeitpunkt ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis angetragen worden, als sich die Gemeinschuldnerin bereits in ganz erheblichen finanziellen Turbulenzen befunden habe. Hiervon habe man ihm allerdings nichts mitgeteilt, sondern die Gemeinschuldnerin habe ihm zugemutet, in vollem Umfang seine Arbeitsleistung zu erbringen in der Kenntnis, dass überhaupt nicht klar sein konnte, ob sie die Altersteilzeit vollständig werde erfüllen können.

Der Kläger hat beantragt,

  • festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 03.07.2001 zum 31.10.2001 endet, sondern unverändert bis zum 31.01.2002 fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

  • die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, er sei in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter gemäß § 113 InsO zur Kündigung berechtigt gewesen, unabhängig davon, ob der Kläger einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen habe. § 113 InsO sei insoweit lex speciales.

Durch Urteil vom 27.09.2001 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und den Streitwert auf 9.000,– DM festgesetzt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 25 bis 27 d.A.) Bezug genommen. Das Urteil ist dem Kläger am 10.10.2001 zugestellt worden. Er hat hiergegen am Montag, den 12.11.2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.01.2002 am 14.01.2002 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn ein Arbeitgeber sämtliche Nutzungen aus dem Altersteilzeitgesetz ziehe, der Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt dann aber „im Regen stehe”. Der Gesetzgeber habe ganz offensichtlich die Kündigungsproblematik bei einer Tätigkeit im Blockmodell nicht gesehen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den zuletzt im ersten Rechtszuge gestellten Anträgen des Berufungsklägers zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 13.02.2002 (Bl. 46/47 d.A.).

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).

Die Berufung ist auch begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 03.07.2001 nicht wirksam zum 31.10.2001 beendet worden, sondern hat bis zum 31.01.2002 fortbestanden.

Die streitbefangene Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Das Kündigungsschutzgesetz findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Beschäftigungsdauer des Klägers sowie der Betriebsgröße der Gemeinschuldnerin A...

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