Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Kündigung. verhaltensbedingte. Rücksichtnahmepflicht. Wettbewerbsverbot. Kündigung einer Diplom-Betriebswirtin im Steuer- und Prüfungswesen bei Weiterleitung von E-Mails und Checklisten an anderen Steuerberater
Leitsatz (amtlich)
1. Leitet eine bei einer Steuerberatungsgesellschaft mit Aufgaben der Steuerberatung befasste Mitarbeiterin E-Mails, die die Arbeitgeberin an ihre Arbeitnehmer zur Vermittlung aktueller steuerlicher Informationen übermittelt hat, an einen anderen Steuerberater weiter, und stellt einem anderen Steuerberater darüber hinaus eine Checkliste zur Verfügung, die die Arbeitgeberin zur Erledigung bestimmter steuerlicher Aufgaben verwendet, liegt hierin ein Verstoß gegen das jedem Arbeitsvertrag immanente Wettbewerbsverbot und eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB). Dies gilt auch dann, wenn es sich nicht um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelte.
2. Die ungenehmigte Aufnahme einer geringfügigen Tätigkeit bei einem anderen Steuerberater als Bürokraft stellt einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot dar, selbst wenn die Tätigkeit tatsächlich nur in der verwaltungsmäßigen Erledigung (Ablage, Postversand) von Post und dem Einscannen von Dokumenten und deren Zuordnung in einer vom Steuerberater benutzten Software bestanden hat.
3. Zur Entbehrlichkeit einer vorangegangenen Abmahnung
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2; HGB § 60; KSchG § 1 Abs. 1-2; BGB § 611 Abs. 1; HGB § 60 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 07.12.2011; Aktenzeichen 1 Ca 1549/11) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 07.12.2011, Az.: 1 Ca 1549/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Wirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 20.09.2011 (hilfsweise) erklärten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2011.
Die Klägerin war aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 29.04.2008 bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer i. S. d. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt, als Diplom-Betriebswirtin in den Bereichen Steuern und Prüfungswesen zu einer Bruttomonatsarbeitsvergütung in Höhe von 2.550,-- € beschäftigt. Zu ihren arbeitsvertraglichen Aufgaben gehörten nach § 1 des Arbeitsvertrages u. a. die Erstellung von Jahresabschlüssen, Gewinnermittlungen und Steuererklärungen, die Erstellung von Finanz- und Lohnbuchhaltungen sowie die fachliche Mitbetreuung dieser Bereiche sowie die Tätigkeit als Prüfungsassistentin bei freiwilligen Prüfungen und Pflichtprüfungen.
§ 8 des Arbeitsvertrags enthält folgende Bestimmung:
"(1)
Die Arbeitnehmerin hat ihre gesamte Arbeitskraft ausschließlich für die Belange des Arbeitgebers zur Verfügung zu stellen. Jede auf Erwerb gerichtete Nebentätigkeit bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Arbeitgebers. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung berechtigt den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung.
(2)
Die Zustimmung nach Absatz 1 Satz 2 kann nur erteilt werden, wenn die Nebentätigkeit die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben nicht behindert und sonstige Interessen des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt werden."
Der Lebensgefährte der Klägerin, der mit dieser in häuslicher Gemeinschaft in K. lebt und von dem die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der genannten Kündigung ein Kind erwartete, betreibt in M. selbständig ein Steuerbüro, welches nach der eigenen Darstellung im Internet (Bl. 60 ff. d. A.) in weitem Umfang Leistungen anbietet, die auch von der Beklagten angeboten werden. Die Entfernung zwischen dem Betriebssitz der Beklagten und dem Steuerberaterbüro des Lebensgefährten der Klägerin in M. beträgt ca. 67 km. Nach eigenem Sachvortrag der Klägerin befinden sich Unterlagen der Berufsausübung ihres Lebensgefährten nicht nur in dessen M. Büro, sondern auch in der gemeinsamen Wohnung in K.. Dort werden auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der steuerberatenden Tätigkeit ihres Lebensgefährten wahrgenommen so, das Einheften von Unterlagen in Ordner, sonstige Ablage, Einscannen von Dokumenten und entsprechende Zuordnungen in einer Software. In der Wohnung der Klägerin besteht ein D.-Zugang.
Unter dem 28.12.2010 kam es zwischen der Klägerin und ihrem Lebensgefährten zum Abschluss eines Anstellungsvertrags für geringfügig Beschäftigte (Bl. 323 ff. d. A.). Danach wurde die Klägerin mit Wirkung ab 01.01.2011 als Bürokraft bei einer vertraglich vorgesehenen regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Monat zu einer Vergütung von 400,-- € eingestellt. Nach den Behauptungen der Klägerin belief sich der zeitliche Umfang der tatsächlichen Arbeitszeit hingegen auf lediglich 5 Stunden.
Die Klägerin informierte die Beklagte über die Tätigkeit bei ihrem Lebensgefährten nicht.
Vor Abschluss des genannten Anstellungsvertrages geringfügig Beschäftigte versandte die Klägerin von ihrem bei de...