Der EuGH hat mit Urteil vom 4.10.2017[1] entschieden, dass die in Art. 14 Abs. 2 Buchstabe b MwStSystRL verwendete Formulierung "Mietvertrag, der die Klausel enthält, dass das Eigentum unter normalen Umständen spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird" umsatzsteuerlich als Lieferung zu qualifizieren ist. Mit Schreiben vom 18.3.2020[2] hat das BMF den Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) geändert. Danach liegt eine Lieferung vor, wenn Gegenstände im Leasingverfahren überlassen werden und die Übergabe des Gegenstands durch den Leasinggeber an den Leasingnehmer

  1. aufgrund einer vertraglichen Klausel ausdrücklich vorgesehen ist (d. h. wenn sie den Übergang des Eigentums an diesem Gegenstand vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthält) und
  2. aus den Vertragsbedingungen (zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung) deutlich hervorgeht, dass das Eigentum am Gegenstand automatisch auf den Leasingnehmer übergehen soll, wenn der Vertrag bis zum Vertragsablauf planmäßig ausgeführt wird.

Das bedeutet, dass auch dann eine Lieferung vorliegt, wenn der Vertrag die formale Klausel enthält, dass der Leasingnehmer je nach Interessenlage den Gegenstand erwerben, zurückgeben oder weiter mieten kann, aber diese Klausel keine echte wirtschaftliche Alternative ist. Auch wenn der Vertrag eine formal völlig unverbindliche Kaufoption enthält, ist nach Abschn. 3.5. Abs. 5 Satz 1 UStAE von vornherein von einer Lieferung auszugehen, wenn angesichts der finanziellen Vertragsbedingungen die Kaufoption als einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer in Betracht kommt.

Konsequenzen: Durch die Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung kann sich die Situation ergeben, dass umsatzsteuerlich eine Lieferung vorliegt, obwohl der Gegenstand handelsbilanziell bzw. ertragsteuerlich dem Leasinggeber zuzurechnen ist. Es kann auch der umgekehrte Fall eintreten, dass umsatzsteuerlich (wegen einer fehlenden Kaufoption) eine sonstige Leistung vorliegt, der Leasinggegenstand aber dem Leasingnehmer zuzurechnen ist. Das bedeutet, dass bereits beim Abschluss eines Miet- oder Leasingvertrags

  • die umsatzsteuerliche Beurteilung erfolgen muss, damit
  • die Rechnung entsprechend der umsatzsteuerlichen Beurteilung ausgestellt wird.

Ist von einer Lieferung auszugehen, muss der Leasinggeber beim Abschluss eines Miet- oder Leasingvertrags die gesamte Umsatzsteuer in Rechnung stellen, die der Leasingnehmer dann als Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend machen kann.

Sind Miet- und Leasingverträge handelsbilanziell bzw. ertragsteuerlich einerseits und umsatzsteuerlich andererseits unterschiedlich zu beurteilen, sind Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer in Buchführung und Bilanz ggf. getrennt auszuweisen. Innerhalb der Buchführung müssen ggf. Konten verwendet bzw. neu angelegt werden, damit der Ausweis in der Bilanz im Ergebnis zutreffend ist.

 
Praxis-Beispiel

Leasing eines Firmenwagens: ertragsteuerliche und umsatzsteuerliche Einordnung

Ein Unternehmer entscheidet sich dafür, seinen Firmenwagen zu leasen (Kaufpreis 40.000 EUR zuzüglich 4.700 EUR (19 %) Umsatzsteuer). Der Leasingvertrag enthält die Klausel, dass der Unternehmer den Pkw am Ende der Laufzeit erwerben, zurückgeben oder weiter mieten kann. Vereinbart wurden hohe Leasingraten, sodass der Restwert, zu dem das Fahrzeug erworben werden kann, deutlich unter dem Marktwert liegt. Konsequenz ist, dass der Kauf des Fahrzeugs am Ende der Laufzeit die einzige wirtschaftlich vernünftige Lösung ist.

Ertragsteuerlich handelt es sich um einen Leasingvertrag und umsatzsteuerlich um eine Lieferung. Weist der liefernde Unternehmer die Umsatzsteuer mit 4.700 EUR gesondert aus, kann der Leasingnehmer zu Beginn des Leasingvertrags die Vorsteuer in Höhe von 4.700 EUR gegenüber dem Finanzamt geltend machen.

 
Konto SKR 03/04 Soll Kontenbezeichnung Betrag Konto SKR 03/04 Haben Kontenbezeichnung Betrag
1576/1406 abziehbare Vorsteuer 19 % 4.700 1600/3300 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 4.700

Der Anteil der Umsatzsteuer (Vorsteuer), der in den einzelnen Leasingraten enthalten ist, mindert dann die Verbindlichkeiten.

 
Wichtig

Übergangsregelung

Da die Finanzverwaltung bisher davon ausgegangen ist, dass nur dann eine Lieferung vorliegt, wenn der Leasinggegenstand ertragsteuerlich dem Leasingnehmer zuzurechnen ist, kann für alle Verträge, die vor dem 18.3.2020 abgeschlossen wurden, hinsichtlich des Vorsteuerabzugs die bisherige Rechtsauffassung weiter angewendet werden.[3]

[2] BMF, Schreiben v. 18.3.2020, III C 2 – S7100/19/10008 :03.

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