Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Erhält ein Arbeitnehmer Leistungen aus einer durch Beiträge seines Arbeitgebers finanzierten Gruppenunfallversicherung, die ihm keinen eigenen unentziehbaren Rechtsanspruch einräumt, so führen im Zeitpunkt der Leistung die bis dahin entrichteten, auf den Versicherungsschutz des Arbeitnehmers entfallenden Beiträge zu Arbeitslohn, begrenzt auf die dem Arbeitnehmer ausgezahlte Versicherungsleistung.
2. Der auf das Risiko beruflicher Unfälle entfallende Anteil der Beiträge führt als Werbungskostenersatz auch zu Werbungskosten des Arbeitnehmers, mit denen der entsprechende steuerpflichtige Arbeitslohn zu saldieren ist.
3. Regelmäßig kann davon ausgegangen werden, dass die Beiträge jeweils hälftig auf das Risiko privater und beruflicher Unfälle entfallen.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 3 S. 1 LStDV 1990
Sachverhalt
Der Kläger bezog als Geschäftsführer seines Arbeitgebers Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit. Der Arbeitgeber selbst war Versicherungsnehmer einer Gruppenunfallversicherung, die er für seine Arbeitnehmer abgeschlossen hatte und sowohl deren private als auch berufliche Unfälle abdeckte. Die Versicherungssumme der Unfallversicherung war nach der Stellung des Mitarbeiters im Unternehmen gestaffelt. Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag stand ausschließlich dem Arbeitgeber zu. Die Versicherungsbeiträge wurden nicht lohnversteuert. Ursprünglich dennoch abgeführte LSt dafür hatte sich der Arbeitgeber 1995 erstatten lassen.
Der Kläger erlitt im Juni 1995 anlässlich einer mehrtägigen Auslandsreise einen Unfall. Auf Grundlage von Gutachten erkannte der Unfallversicherer eine unfallbedingte Beeinträchtigung des Klägers an und zahlte auf Veranlassung des Arbeitgebers entsprechend dem festgestellten Grad der Invalidität im streitigen Veranlagungszeitraum 1999 an den Kläger 300 000 DM.
Das FA berücksichtigte die Leistungen aus der Unfallversicherung als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Das FG (Urteil des FG Köln vom 24.11.2004, 12 K 5350/01, EFG 2005, 1438, Haufe-Index 1386473) wies die Klage dagegen ab.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf, weil sie zu Unrecht die Versicherungsleistung von 300 000 DM als Lohn angesetzt hatte. Er verwies die Sache zurück, weil nach der vorstehend erläuterten Rechtslage Feststellungen zu treffen sind, in welcher Höhe der Arbeitgeber Prämien für den Versicherungsschutz des Klägers bis zum Zeitpunkt der Auskehrung der Versicherungssumme geleistet hatte und inwieweit sie auf das Risiko privater Unfälle entfallen.
Hinweis
Das Besprechungsurteil und weitere Urteile vom selben Tag (VI R 20/05, BFH/NV 2009, VI R 19/06, BFH/NV 2009, VI R 24/06, BFH/NV 2009, VI R 66/06, BFH/NV 2009, VI R 3/08, BFH/NV 2009) geben die seit langem erwartete Antwort auf die Frage, wie eine vom Arbeitgeber zugunsten seiner Arbeitnehmer abgeschlossene Gruppenunfallversicherung beim Arbeitnehmer lohnsteuerrechtlich zu erfassen ist. Die wesentlichen Grundaussagen des Urteils: (1.) Die Versicherungsleistung selbst führt nicht zu Arbeitslohn. (2.) Arbeitslohn sind aber die vom Arbeitgeber zur Finanzierung des Unfallversicherungsschutzes des Arbeitnehmers bis zur Auszahlung der Versicherungsleistung gezahlten Beiträge. (3.) Der Arbeitslohn (Summe der Beiträge) ist der Höhe nach auf die ausgezahlte Versicherungsleistung begrenzt. (4.) Soweit die arbeitgeberseitig geleisteten Unfallversicherungsbeiträge das Risiko beruflicher Unfälle erfassen, sind sie Werbungskostenersatz.
Die Ausgangslage: Drei Personen stehen in Rechtsbeziehungen zueinander: der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Versicherer. Die Folge: Es bestehen mehrere Leistungsbeziehungen: Der Arbeitgeber erbringt Versicherungsbeiträge, der Arbeitnehmer erlangt Versicherungsschutz, der Versicherer erbringt die Versicherungsleistung. Die Fragen: Welche von wem erbrachte Leistung ist zu welchem Zeitpunkt einkommensteuerrechtlich als Lohn zu erfassen?
1. Zu Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören auch Leistungen des Arbeitgebers, die er zur Absicherung seiner Arbeitnehmer für deren Krankheit, Unfall, Invalidität, Alter oder Tod (Zukunftssicherung) erbringt. Leistet der Arbeitgeber die Beiträge an den Versicherer so, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung stellt und der Arbeitnehmer selbst sie zur Zukunftssicherung verwendet und dem Arbeitnehmer gegen den Versicherer ein eigener unentziehbarer Rechtsanspruch auf Leistung zusteht, fließt im Zeitpunkt der Beitragsleistung Arbeitslohn zu (BFH, Urteile vom 12.04.2007, VI R 55/05, BFH/NV 2007, 1412; BFH/PR 2007, 297; vom 15.11.2007, VI R 30/04, BFH/NV 2008, 550; zur Gruppenunfallversicherung: vom 16.04.1999, VI R 60/96, BFH/NV 1999, 1411, VI R 66/97, BFH/NV 1999, 1413).
Allerdings liegt kein Lohnzufluss durch Arbeitgeberbeiträge zu Zukunftssicherungsleistungen vor, wenn sie noch keinen eigenen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Versicherer begründen; das Innehaben von Ansprüchen ist kein Zufluss von Einnahmen (BFH, Urteil...