Prof. Dr. Hans-Friedrich Lange
Leitsatz
1. Der Begriff "auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen" i.S.d. Umsatzsteuerrechts umfasst Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre.
2. Diese Voraussetzungen sind in der Regel erfüllt, wenn ein Unternehmer auf einer Internet-Plattform seinen Mitgliedern gegen Entgelt eine Datenbank mit einer automatisierten Such- und Filterfunktion zur Kontaktaufnahme mit anderen Mitgliedern i.S. einer Partnervermittlung bereitstellt.
3. Erbringt ein Unternehmer mit Sitz im Drittland (hier: USA) derartige Leistungen an Nichtunternehmer (Verbraucher) mit Wohnort im Inland, so liegt der Leistungsort im Inland.
Normenkette
§ 3a Abs. 1, Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UStG, Art. 58 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Die Klägerin mit Sitz in den USA betrieb Kontaktbörsen (Communities) im Internet. Die entgeltliche Mitgliedschaft ihrer Kunden (User) berechtigte zum Zugriff auf persönliche Informationen anderer Mitglieder und ermöglichte eine Kontaktaufnahme i.S. einer Partnervermittlung.
Die Klägerin nahm an, der Ort der von ihr erbrachten Leistungen liege in den USA, und gab deshalb für die an ihre in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen Kunden ausgeführten Umsätze keine Umsatzsteuererklärungen ab.
Nachdem das FA von den Leistungen der Klägerin erfahren hatte, setzte es in der Annahme, der Ort der an deutsche Kunden erbrachten Leistungen liege im Inland, Umsatzsteuer fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Vorinstanz: FG Köln, Urteil vom 14.5.2014, 9 K 3338/09, Haufe-Index 7016734, EFG 2014, 1517).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Die Klägerin habe mit der Gewährung des Zugangs zu ihren Online-Communities an die zahlenden Mitglieder sonstige Leistungen gegen Entgelt ausgeführt. Diese seien i.S.v. § 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F. "auf elektronischem Weg" erbracht und daher gemäß § 3a Abs. 3a UStG a.F. im Inland ausgeführt worden.
Hinweis
Seit dem 1.7.2003 wird eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung (§ 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a.F.; jetzt: § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG) gemäß § 3a Abs. 3a UStG a.F. (jetzt: § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG) dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz oder Sitz hat, wenn dieser Empfänger kein Unternehmer ist und seinen Wohnsitz oder Sitz im Gemeinschaftsgebiet hat.
Weitere Voraussetzung ist, dass die sonstige Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der im Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2a Satz 3 UStG) ansässig ist oder dort eine die Leistung ausführende Betriebsstätte hat.
Diese Bestimmungen sollen gewährleisten, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer nach Möglichkeit an dem Ort erfolgt, an dem diese Dienstleistungen in Anspruch genommen werden (sog. Bestimmungslandprinzip).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.6.2016 – XI R 29/14