Prof. Dr. Helmut Wannenwetsch
Durch eine optimale bzw. möglichst sofortige Lieferbereitschaft können die Wünsche der Kunden zur vollen Zufriedenheit erfüllt werden, bzw. die Produkte können rechtzeitig und wunschgemäß fertig gestellt werden. Im Handel sind dadurch die Regale immer gefüllt und es entstehen keine Umsatzverluste. Bei der Produktion von Maschinen entstehen keine Fehlmengenkosten durch Produktionsstillstand infolge fehlender Teile. Eine hohe Lieferbereitschaft sichert hohe Umsätze und ständige Liquidität des Unternehmens. Das Image, die Kundenzufriedenheit und damit verbunden die Wettbewerbsfähigkeit werden gesteigert.
Durch den Internethandel erhält die sofortige Lieferbereitschaft noch eine zusätzliche Bedeutung. Der Vorteil bei einer Bestellung durch das Internet war der oft günstigere Preis des Produktes und die größere Auswahl gegenüber dem stationären Anbieter. Der Nachteil war, dass bei Bestellung durch das Internet der Kunde oft mehrere Tage auf das gewünschte Produkt warten musste. Große Internetanbieter versprechen heutzutage eine Lieferung innerhalb von 24 Stunden, teilweise in bestimmten Regionen eine Lieferung schon am gleichen Tag der Bestellung bzw. die Lieferung innerhalb von mehreren Stunden. Durch die erhöhte Lieferbereitschaft steigert der Internethandel seine Wettbewerbsfähigkeit zu Lasten des stationären Handels.
Just-in-Time-Anlieferung
Bei Autobauern, wie z. B. Audi in Neckarsulm werden über 90 % aller Teile im Just-in-Time- beziehungsweise im Just-in-Sequenze Verfahren angeliefert. Just-in-Sequenze bedeutet, dass die notwendigen Teile und Baugruppen schon beim Lieferanten vorsortiert werden und in genau der richtigen Reihenfolge an die Montage angeliefert werden, wie sie einige Minuten später in das Fahrzeug eingebaut werden. Dies ist z.B. bei der Sitzfertigung der Fall. Den Auftrag mit der genauen Anzahl der benötigten Sitze erhält der Lieferant vom Fahrzeughersteller oft nur 4-5 Stunden vorher. Die benötigten Sitze werden dann ca. 30 Minuten vor Einbau vom Lieferanten an das Montageband geliefert.. Um den genau durchgeplanten Produktionsprozess einhalten zu können, ist eine hohe Lieferbereitschaft der Just-in-Time (Just-inSequenze)-Teile absolute Voraussetzung.
Vermeidung von Fehlmengenkosten
Die ständige Lieferbereitschaft vermeidet Fehlmengenkosten. Diese Kosten entstehen z. B. durch Produktionsstillstand, durch die teure Nachlieferung von Teilen, durch zeitaufwändige Bearbeitung von Reklamationen oder durch hohe Vertragsstrafen infolge nicht eingehaltener Liefertermine. Damit verbunden sind Imageverluste, Umsatzrückgänge und der Verlust von Kunden.
In vielen Branchen gilt die Faustregel, dass eine dreimalige mangelhafte Belieferung eines Kunden zum Verlust des Kunden führt. Neue Kunden zu gewinnen erfordert hohen Zeit- und Kostenaufwand.
Nicht nur in der Industrie, auch in Handelsunternehmen entscheiden die Lieferbereitschaft und damit die hohe Regalverfügbarkeit der Produkte über Gewinn oder Verlust. Die Bestandsreichweiten bei Lebensmitteldiscountern reichen oft nur 1-2 Tage. Hier ist es entscheidend für Umsatz und Kundenzufriedenheit, dass die Lieferanten jederzeit lieferbereit sind, Teilweise erfolgt hier verbrauchsgesteuert sogar eine zweimalige Lieferung am Tag.
Auswirkungen mangelnder Lieferbereitschaft
Die Auswirkungen einer mangelhaften Lieferbereitschaft durch schlechte Qualität zeigen sich am folgenden Ergebnis von Untersuchungen:
- 90 % der Kunden, die mit der Qualität eines Produktes unzufrieden sind, werden dies fortan meiden.
- Jeder dieser Kunden wird seinen Unmut mindestens 8 und teilweise über 20 Personen mitteilen.
Dies bedeutet, dass ein schlechter Lieferbereitschaftsgrad nicht nur den Kunden verärgert, sondern potenzielle Kunden durch ein negatives Image ebenfalls von Bestellungen abhält. Diese Untersuchungen zeigen auch die Bedeutung der Lieferbereitschaft als strategischen Erfolgsfaktor.
Die Gewinnmargen liegen im Handel aufgrund der großen Konkurrenz oftmals nur zwischen 2-4 Prozent. Hier ist es entscheidend, ob die Regalverfügbarkeit der Produkte 94 % oder 98 Prozent beträgt. Bei einem bekannten LKW-Hersteller gilt der Satz: Der erste LKW wird über den Vertrieb verkauft, jeder weitere über den Service. Gemeint sind damit z.B. der Kundendienst, der Lieferservice bei Ersatzteilen und die sofortige Teileverfügbarkeit bei Fahrzeugausfall.
Wie errechnet sich nun die Lieferbereitschaft?