Der Begriff "Verfahrensordnung" führt leicht zu Missverständnissen. Er weckt Assoziationen an Verfahrensordnungen wie die Zivilprozessordnung oder Strafprozessordnung, die sehr detaillierte und differenzierte Regelungen zum Ablauf des Verfahrens, zur Berücksichtigung von Beweismitteln, zur Entscheidungsfindung usw. enthalten.
Die Verfahrensordnung des Beschwerdeverfahrens nach dem LkSG erfordert keine solche Detailtiefe. Die Pflicht, eine Verfahrensordnung öffentlich zu machen, muss vor dem Hintergrund des Erfordernisses der Berechenbarkeit nach Prinzip 31 der UN-Leitprinzipien gesehen werden.
Ziel der Verfahrensordnung ist Transparenz für potenzielle Beschwerdeführer
Die Verfahrensordnung zielt also in erster Linie darauf ab, für potenzielle Beschwerdeführer vorhersehbar zu machen, wie das Verfahren ablaufen wird und welche Resultate sie erwarten können. Allzu ausführliche Regelungen können hier eher kontraproduktiv sein. Denn sie können die Zugänglichkeit beeinträchtigen und potenzielle Beschwerdeführer von der Einlegung berechtigter Beschwerden abhalten.
Darüber hinaus hat die Verfahrensordnung den Zweck, für das Unternehmen selbst bestimmte Eckpunkte für den Umgang mit Beschwerden festzulegen. Die Angabe von Verfahrensschritten und eines Zeitrahmens für die jeweiligen Schritte können dazu beitragen, eine einheitliche Praxis zu gewährleisten, die Verschleppung der Bearbeitung von Beschwerde zu verhindern und die Prüfung der Effektivität des Verfahrens zu erleichtern.
Möglicher Inhalt der Verfahrensordnung laut LkSG
Die Verfahrensordnung sollte Angaben zu den Abschnitten des Verfahrens und einen ungefähren Zeitrahmen für diese Abschnitte enthalten. Als Orientierungspunkt können hier die Angaben nach § 17 des Hinweisgeberschutzgesetzes dienen.
- Dies sollte zunächst die Angabe umfassen, dass der Eingang der Beschwerde dem Beschwerdeführer bestätigt wird (dies ist nach § 8 Abs. 1 Satz 3 LkSG erforderlich) sowie eine Frist, binnen derer die Bestätigung erfolgt.
- Ein möglicher erster Verfahrensabschnitt ist die Prüfung, ob die Beschwerde plausibel ist und in den Anwendungsbereich des Beschwerdeverfahrens fällt.
- Darüber hinaus sollte die Verfahrensordnung die Angabe enthalten, dass der Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer erörtert wird. Diese Erörterung ist nach § 8 Abs. 1 Satz 4 LkSG verpflichtend.
- Es bietet sich an, darüber einen weiteren Verfahrensabschnitt für die weitere Prüfung der Beschwerde vorzusehen. Diese kann etwa darin bestehen, dass weitere Personen angehört werden, dass das Unternehmen eine Prüfung der Situation am Ort des Geschehens vornimmt oder dem Zulieferbetrieb Gelegenheit zur Stellungnahme gibt.
- Ein weiterer möglicher Verfahrensabschnitt ist eine Phase der Entscheidungsfindung, in der das Unternehmen prüft, welche Maßnahmen es ggf. ergreifen sollte und wie es diese umsetzen kann. Auch für diese Phase sollte das Unternehmen einen Zeitrahmen angeben.
- Die Verfahrensordnung sollte darauf hinweisen, dass Beschwerden vertraulich behandelt werden. Das Erfordernis der Vertraulichkeit ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Satz 2 LkSG. Es kann dazu beitragen, das Vertrauen in das Verfahren zu erhöhen; deshalb sollte die Verfahrensordnung darauf hinweisen.
- Außerdem sollte die Verfahrensordnung den Hinweis enthalten, dass und in welchem Umfang der Beschwerdeführer gegen Repressalien geschützt ist. Auch dies trägt dazu bei, das Vertrauen in das Verfahren zu erhöhen und damit dazu beizutragen, dass es seinen Zweck erfüllt.
- Die Verfahrensordnung sollte auch einen Hinweis darauf enthalten, dass das Verfahren kostenlos ist, selbst wenn die Beschwerde unbegründet ist. Die Angst, mit Kosten belastet zu werden, kann eine Barriere darstellen, die die Zugänglichkeit des Verfahrens beschränkt und Beschwerdeführer von begründeten Beschwerden abhält.
- Ein weiterer wichtiger Punkt ist ein Hinweis auf den möglichen Ausgang des Verfahrens. Es gehört zur Berechenbarkeit des Verfahrens, dass es für Beschwerdeführer absehbar ist, was die möglichen Resultate des Verfahrens sind.
- Schließlich sollte die Verfahrensordnung auf Möglichkeiten hinweisen, Rechtsrat in Anspruch zu nehmen oder rechtliche Unterstützung zu erhalten. Das gilt natürlich nur, wenn es solche Angebote gibt. Einige Unternehmen bieten unter bestimmten Voraussetzungen Beschwerdeführern die Möglichkeit, kostenlose rechtliche Unterstützung zu erhalten. Sie finanzieren Rechtsberatungsstellen oder kooperieren mit Nichtregierungsorganisationen, die Personen rechtlich unterstützen, die von Menschenrechtsverletzungen betroffen sind. Dies dient dazu, die Zugänglichkeit des Verfahrens zu erhöhen und die "Waffengleichheit" für potenzielle Beschwerdeführer sicherzustellen. Falls ein Unternehmen diese Möglichkeit anbietet, sollte es darauf in der Verfahrensordnung hinweisen.