Leitsatz
Auch im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur ESt ist die Frage, ob Festsetzungsverjährung eingetreten ist, für jeden Ehegatten gesondert zu prüfen.
Normenkette
§ 44 Abs. 2, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 171 Abs. 4 Satz 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin ist für das Streitjahr 1991 mit ihrem Ehemann (E) zusammen zur ESt zu veranlagen. Im Jahr 1996 erließ das FA allein gegenüber E eine Betriebsprüfungsanordnung, die sich u.a. auch auf die ESt 1991 erstreckte. Im Jahr 1998 erließ das FA – den Feststellungen des Betriebsprüfers folgend – einen ESt-Änderungsbescheid 1991, den es gegen beide Ehegatten richtete.
Die hiergegen von beiden Eheleuten erhobene Klage blieb erfolglos. Der BFH gab der dagegen gerichteten Revision der Ehegatten insoweit statt, als die Revision von der Klägerin erhoben worden war.
Entscheidung
Der BFH hob hervor, dass die Festsetzungsfrist gegenüber der Klägerin – anders als beim Ehemann, bei dem die Anordnung der Betriebsprüfung im Jahr 1996 zu einer Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO geführt habe – bereits Ende 1996 abgelaufen sei (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die gegenüber dem Ehemann eingetretene Ablaufhemmung wirke auch nicht deswegen zulasten der Klägerin, weil diese mit ihrem Ehemann zusammen veranlagt worden sei. Denn auch die Zusammenveranlagung ändere nichts daran, dass beide Ehegatten jeweils eigenständige Steuersubjekte seien.
Hinweis
Im vorliegenden Fall war die Betriebsprüfungsanordnung allein gegenüber dem Ehemann der Klägerin, welcher gewerbliche Einkünfte erzielte, ergangen und die Außenprüfung deshalb auch nur bei ihm durchgeführt worden. Demgemäß war der Ablauf der regelmäßigen Festsetzungsfrist gegenüber dem Ehemann nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt. Diese Hemmung erstreckte sich trotz der stattfindenden Zusammenveranlagung nicht auch auf die gegenüber der Ehefrau laufende ESt-Festsetzungsfrist. Letzteres anzunehmen würde der Wertung des § 171 Abs. 4 AO zuwiderlaufen, wonach nur der Adressat der Prüfungsanordnung die verjährungshemmende Wirkung hinnehmen muss, wohingegen andere Personen auf den Ablauf der Regelfestsetzungsfrist vertrauen dürfen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 7.11.1990, X R 203/87, BStBl II 1991, 547).
Der bloße Umstand der Zusammenveranlagung rechtfertigt ein anderes Ergebnis nicht. Dies bestätigt im Übrigen auch die Regelung des § 44 Abs. 2 AO, wonach in den Fällen der Gesamtschuldnerschaft (hier begründet durch die Zusammenveranlagung) nur mehr die Erfüllung, Aufrechnung und Sicherheitsleistung durch einen oder gegenüber einem Gesamtschuldner zugunsten des oder der anderen Gesamtschuldner(s) wirken.
Andere Tatsachen wirken hingegen nach § 44 Abs. 2 Satz 3 AO nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten. Dementsprechend läuft für jeden Gesamtschuldner eine gesonderte Festsetzungsfrist (Klein/Brockmeyer, AO, § 44 Rz. 14; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 44 AO Rz. 19).
Dass es nach diesen Grundsätzen gegenüber zusammen veranlagten Eheleuten zu Steuerfestsetzungen in unterschiedlicher Höhe kommen kann, mag als misslich empfunden werden, muss aber de lege lata hingenommen werden. Dieses Ergebnis tritt im Übrigen auch dann ein, wenn beispielsweise nur einer der zusammen veranlagten Eheleute gegen den ESt-Bescheid erfolgreich mit einem Rechtsbehelf vorgeht, während der andere Ehegatte den Bescheid bestandskräftig werden lässt.
Eine notwendige Hinzuziehung oder Beiladung des untätig bleibenden Ehegatten zum Rechtsbehelfsverfahren des anderen Ehegatten kommt in diesem Fall nach ständiger Rechtsprechung nicht in Betracht (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 7.10.1986, IX R 125/86, BFH/NV 1987, 784).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.4.2006, X R 42/05