Sarah Müller, Prof. Dr. Stefan Müller
Zusammenfassung
Mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die größte Änderung der Rechnungslegung seit Jahrzehnten erfolgt. Viele (große) Unternehmen sind – bereits ab 2024 – direkt betroffen. Ebenso sind viele weitere Unternehmen indirekt betroffen. Die EU fordert im Rahmen der Transformation zu einer klimaneutralen und nachhaltigeren Wirtschaft sehr umfangreiche Informationen im Lagebericht, für die in den wenigsten Fällen die nötigen Systeme bereits vorhanden sind. Die neue EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) wurde Ende November 2022 final verabschiedet, ein 1. Set an europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) wurde im Juli 2023 verabschiedet und im August 2024 in einer korrigierten deutschen Übersetzung im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Verspätet befindet sich die CSRD im deutschen Umsetzungsverfahren. Da dies wahrscheinlich nicht mehr im Jahr 2024 abgeschlossen wird, wird die bisherige nichtfinanzielle Berichterstattung noch ein Jahr länger nötig sein für das Geschäftsjahr 2024. Ansonsten dürfte der weitere Zeitplan dadurch nicht verändert werden.
1 Hintergrund zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Rz. 1
Zur Transformation der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität und der Stärkung der Nachhaltigkeit im Rahmen des Green Deals wurden vom europäischem Verordnungs- und Richtlinien- sowie vom deutschen Gesetzgeber verschiedenste Regulierungen angestoßen bzw. bereits umgesetzt. Dabei kommen neben direkten Eingriffen, wie etwa dem Emissionshandel, Vorgaben für die Produktausgestaltung oder Festlegung sozialer Mindeststandards, auch eher indirekt wirkende Maßnahmen zur Anwendung, wie die Schaffung von Transparenzanforderungen und Vorgaben zur Lenkung der Finanzströme in nachhaltige Geschäftsmodelle. Die Nachhaltigkeitsaspekte (sog. ESG-Aspekte) werden dabei weit verstanden und wie inzwischen international üblich unterteilt in die Bereiche:
- Environmental/Umwelt,
- Social/Soziales,
- Governance/verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung.
Rz. 2
Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sind alle Unternehmen mit mehr als 3.000 (1.000) Beschäftigten in Deutschland seit dem 1.1.2023 (2024) zu einer Überwachung ihrer Lieferketten verpflichtet, um ihre negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und (bestimmte) Umweltaspekte zu identifizieren und zu verringern. Zudem hat die europäische Kommission im Februar 2022 einen, sowohl was die Zielgruppe als auch den Umfang betrifft, deutlich weitergehenden Entwurf einer Sorgfaltspflichtenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)) mit Fokus auf die Wertschöpfungskette vorgelegt. Über diesen konnten sich Rat, Parlament und Kommission allerdings erst am 15.3.2024 final einigen, wobei die Zielgruppe letztlich deutlich verkleinert wurde: Nach dem LkSG sind Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten in Deutschland verpflichtet, nach der CSDDD müssen auch 450 Mio. EUR Umsatz überschritten werden, allerdings zählen die Beschäftigten weltweit. Am 5.7.2024 wurde die CSDDD bzgl. Sorgfaltspflichten in der Wertschöpfungskette von Unternehmen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (Richtlinie (EU) 2024/1760). Deutschland hat die CSDDD bis zum 26.7.2026 in nationales Recht umzusetzen (Art. 37 Abs. 1 CSDDD). Es ist zu erwarten, dass die neuen Regelungen in das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) aufgenommen werden. Die – inzwischen allerdings nicht mehr über eine Mehrheit im Bundestag verfügende – Bundesregierung hat eine zügige Umsetzung angekündigt. Schon im Vorgriff soll die Regelung der Erfüllung der LkSG-Berichtspflichten durch die Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts im Gesetz verankert werden, wobei nun eine Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)) im Jahr 2024 sehr unwahrscheinlich geworden ist. Allerdings wurde faktisch die Berichtspflicht nach dem LkSG bereits verschoben, da das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bekannt gemacht hat, dass es das Vorliegen und die Veröffentlichung der Berichte nach dem LkSG erstmalig zum 1.1.2026 prüfen wird. Im Unterschied zum LkSG sind die zu beachtenden Vorgaben der CSDDD aber noch deutlich weiter gefasst, sodass insbesondere auch Umweltpflichten (etwa das 1,5°-Klimaziel) zu beachten sind und in dem Zusammenhang von den Unternehmen ein Übergangsplan erwartet wird. Dabei gelten die neuen Sorgfaltspflichten auch entlang der Wertschöpfungskette, welche die vorgelagerten Geschäftsbeziehungen (wie Zulieferer) und anders als beim LkSG auch die nachgelagerten Aktivitäten (wie Vertrieb oder Recycling) umfasst. Können nachteilige Auswirkungen auf Menschenrechte oder die Umwelt bei Geschäftspartnern nicht verhindert oder beendet werden, müssen die Geschäftsbeziehungen wie im LkSG als letztes Mittel eingestellt werden. Die in dieser Schärfe neuen Sorgfaltspflichten, schon bislang gibt es Vorgaben, wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu verantwortungsvollem unternehmerischem Handeln oder UN-Leitprinzipie...