Kommentar
Mit Wirkung zum 1.1.2010 wurde die Definition des ausländischen Unternehmers für die Anwendung der Umkehr der Steuerschuldnerschaft ("Reverse-Charge-Verfahren") verändert. Während bis zum 31.12.2009 ein ausländischer Unternehmer nur dann nicht vorlag, wenn er seinen Wohnsitz, Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung im Inland hatte, wurde zum 1.1.2010 der Begriff der Zweigniederlassung durch den weiter gehenden Begriff der Betriebsstätte ersetzt. Allerdings wird die Steuerschuld nur dann nicht auf den Leistungsempfänger übertragen, wenn die Leistung auch tatsächlich von der inländischen Betriebsstätte ausgeführt wird.
Unternehmer D aus Düsseldorf lässt sich regelmäßig von dem Unternehmensberater U aus den Niederlanden beraten. U unterhält in Düsseldorf eine Betriebsstätte. Im Oktober 2010 wird eine Beratungsleistung von der deutschen Betriebsstätte ausgeführt, im November 2010 erhält D ausnahmsweise eine Beratungsleistung, die nur von dem niederländischen Hauptsitz ausgeführt werden kann.
Beide Beratungsleistungen sind in Deutschland steuerbar (Ort nach § 3a Abs. 2 UStG, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt) und steuerpflichtig. Für die im Oktober 2010 ausgeführte Beratungsleistung ist der leistende Unternehmer Steuerschuldner, da die Leistung von der inländischen Betriebsstätte ausgeführt wird. Die im November 2010 ausgeführte Beratungsleistung führt zur Anwendung des Steuerschuldnerverfahrens, da die Leistung nicht von der Betriebsstätte ausgeführt wird (§ 13b Abs. 7 UStG). D muss die Umsatzsteuer für den Monat der Ausführung der Leistung bei seinem Finanzamt anmelden (§ 13b Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 Satz 1 UStG).
Zur Vermeidung steuerlicher Nachteile muss insbesondere der Leistungsempfänger überprüfen, ob die Leistung von einer inländischen Betriebsstätte ausgeführt wurde oder nicht.
Zum 1.7.2010 wurde die Regelung des § 13b UStG vollständig neu gefasst, sodass sich die Eigenschaft des ausländischen Unternehmers nicht mehr aus § 13b Abs. 4 UStG, sondern aus § 13b Abs. 7 UStG ergibt. Inhaltliche Änderungen waren damit nicht verbunden, es wurde lediglich zur Abgrenzung der Unterscheidung der einzelnen Anwendungsvorschriften des § 13b UStG eine Definition des im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers mit aufgenommen.
In § 13b Abs. 7 Satz 4 UStG ist eine gesetzliche Umkehr der Beweislast normiert. Ist es zweifelhaft, ob es sich bei dem leistenden Unternehmer um einen ausländischen Unternehmer handelt, kann von der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nur dann abgesehen werden, wenn durch eine Bescheinigung des für den leistenden Unternehmer zuständigen Finanzamts nachgewiesen wird, dass es sich nicht um einen ausländischen Unternehmer handelt.
Das BMF stellt in seinem Schreiben jetzt ein neues Formular (USt 1 TS) vor, das für den Nachweis der Eigenschaft als "inländischer" Unternehmer zu verwenden ist. Erstmals wird in dieser Bescheinigung (durch unterschiedlich anzukreuzende Kästchen) zwischen Unternehmern unterschieden, die im Inland ansässig sind und Unternehmern, die nur eine Betriebsstätte im Inland unterhalten. Klarstellend wird in der Bescheinigung darauf hingewiesen, dass der Leistungsempfänger bei Ausführung der Leistung von einer inländischen Betriebsstätte die Umsatzsteuer nur dann nicht schuldet, wenn die Leistung von dieser Betriebsstätte ausgeführt wird.
Die Bescheinigung USt 1 TS hat maximal eine Laufzeit von einem Jahr. In der Bescheinigung ist das Datum anzugeben, bis zu dem die Bescheinigung gültig ist.
Konsequenzen für die Praxis
Die neue Bescheinigung trägt mit zur Klarheit beim Nachweis der Eigenschaft des ausländischen Unternehmers bei. Durch die getrennte Angabe "Ansässigkeit im Inland" oder "Betriebsstätte im Inland" erhält der Leistungsempfänger die Möglichkeit, bei Vorliegen nur einer Betriebstätte, noch einmal kritisch zu prüfen, von wo aus die Leistung tatsächlich bewirkt wird.
Die Angabe einer inländischen Steuernummer oder einer deutschen USt-IdNr. in einer Rechnung ist als Nachweis einer inländischen Ansässigkeit des leistenden Unternehmers nicht ausreichend.
Der Leistungsempfänger trägt immer das wirtschaftliche Risiko der richtigen Beurteilung des ihm gegenüber ausgeführten Umsatzes. Erkennt ein im Ausland ansässiger Unternehmer nicht die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nach § 13b UStG und stellt er dem Leistungsempfänger deutsche Umsatzsteuer gesondert in Rechnung, schuldet der leistende Unternehmer diese Umsatzsteuer als unrichtig ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG, der Leistungsempfänger kann diese Steuer aber nicht als Vorsteuer geltend machen. Zahlt der Leistungsempfänger diesen Bruttobetrag, hat er an den leistenden Unternehmer zu viel ausbezahlt – die Umsatzsteuer nach § 13b UStG schuldet er zusätzlich.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 21.7.2010, IV D 3 – S 7279/10/10002, BStBl 2010 I S. 626.