OFD Berlin, Verfügung v. 15.7.1997, St 45 - S 3811 - 4/92
1. Grundsätze
Nach der Rspr. des BFH sind Sachleistungsansprüche, soweit sie im Rahmen gegenseitiger Verträge begründet wurden, nicht mit dem Steuerwert des Gegenstands, auf den sie gerichtet sind, zu bewerten, sondern mit dem gemeinen Wert; das gilt auch für auf Grundstücke gerichtete vertragliche Sachleistungsansprüche ( BFH vom 10.4.1991, II R 118/86, BStBl 1991 II S. 620 und vom 26.6.1991, II R 117/87, BStBl 1991 II S. 749).
Verstirbt ein Vertragspartner eines Grundstückskaufvertrages vor der Übertragung des Eigentums, ist es für die Erben von Bedeutung, ob das Grundstück – aus der Sicht der Erben des Verkäufers – noch oder – aus der Sicht der Erben des Käufers – schon in den diesbezüglichen Nachlaß gefallen ist. Davon hängt ab, ob den jeweiligen Erben der Steuervorteil der günstigen Grundbesitzbewertung zugute kommt. Auch im Rahmen der aufgrund des Beschlusses des BVerfG vom 22.6.1995, 2 BvR 552/91 notwendig gewordenen und mittlerweile im Rahmen des JStG 1997 vom 20.12.1996 (BStBl 1996 I S. 1523) getroffenen gesetzlichen Neuregelung des Erbschaftsteuerrechts wird dieser Steuervorteil voraussichtlich jedenfalls z.T. erhalten bleiben. Denn in der Regel wird das Grundstück nicht mit seinem vollen Verkehrswert der Erbschaftsteuer unterworfen werden, was vom BVerfG auch nicht vorgegeben worden ist.
In diesem Zusammenhang wurde vorgeschlagen, den Maßstab des sog. wirtschaftlichen Eigentums i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO für die Zurechnung zum Nachlaß bei noch nicht – vollständig – erfüllten gegenseitigem Grundstückskaufverträgen anzuwenden, insbesondere auf den Zeitpunkt des Besitz- und Lastenwechsels abzustellen.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Das Erbschaftsteuerrecht ist von dem Prinzip der Maßgeblichkeit des Zivilrechts geprägt. Entsprechend gilt der zivilrechtliche Eigentumsbegriff. Der Begriff des wirtschaftlichen Eigentums findet im Erbschaftsteuerrecht keine Anwendung.
Zivilrechtlich geht das Eigentum an einem Grundstück gem. § 873 BGB erst mit der Eintragung in das Grundbuch auf den Erwerber über. Weder die Aufgabe des Besitzes noch die Auflassung und Eintragungsbewilligung bewirken einen Wechsel des Eigentums. Bis zur Eintragung obliegen dem bisherigen Eigentümer (ggf. seinen Erben) sowie dem Käufer (ggf. seinen Erben) die Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag und den weiteren Willenserklärungen.
Die grundsätzliche Anknüpfung an das Zivilrecht gilt nicht nur für das Erbrecht selbst, sondern auch für die Frage, was zum steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen gehört. Der BFH hat dies im Urteil vom 10.11.1982, II R 111/80 (BStBl 1983 II S. 116, [118]) unter II.1 c der Gründe so ausgedrückt, daß eine Erbschaftsteuer sich nur aufgrund rechtlicher Beurteilung ergeben kann.
Beim Erwerb von Todes wegen ist daher ein Grundstück erbschaftsteuerrechtlich bis zur Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch bei den Erben nach dem Veräußerer zu erfassen. Außerdem sind die Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag und den weiteren Willenserklärungen zum Stichtag entsprechend dem Erlaß der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin vom 19.6.1992 (III C 2 - S 3811 - 4/92) zu erfassen und zu bewerten.
Klarstellend wird darauf hingewiesen, daß die vorstehenden Grundsätze nur für die Besteuerung des Grundstückserwerbs von Todes wegen gelten. Die im Gegensatz dazu vom zivilrechtlichen Eigentumsübergang abweichende Regelung für die Ausführung einer Grundstücksschenkung bleibt davon unberührt. Es wird insoweit Bezug genommen auf die Erlasse der Senatsverwaltung für Finanzen vom 21.2.1991, III C 2 - S 3808 - 1/90 (entspricht FinMin Nordrhein-Westfalen vom 28.1.1991, S 3808 - 1 - VA 2 und vom 19.9.1995, III C 2 - S 3700 - 2/95 unter 2.
2. Einzelfälle
Was die vorgenannten Grundsätze für die praktische Handhabung bedeuten, sollen die nachfolgenden Beispielsfälle veranschaulichen:
a) Beispiel 1
X ist Eigentümer eines privat genutzten schuldenfreien Grundstücks, Verkehrswert 1.000 TDM, Steuerwert 600 TDM. X veräußert das Grundstück mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 1.9.01 an Y gegen 1.000 TDM in bar, zahlbar in zwei gleichen Raten am 1.12.01 und 1.3.02. X und Y vereinbaren den Übergang von Besitz und Gefahr, Nutzungen und Leistungen (Lastenwechsel) mit Entrichtung der 1. Rate am 1.12.01. Nach Entrichtung der 2. Rate am 1.03.02 erklären die Beteiligten formgerecht die Auflassung, Y erhält zugleich die den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt. Mit Bescheid vom 5.01.02 führt das Belegenheits-FA auf den 1.1.02 eine Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks auf Y als dessen wirtschaftlicher Eigentümer durch § 22 Abs. 2 BewG). Die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch erfolgt am 17.5.02.
X verstirbt am 10.1.02 bzw. am 10.4.02.
Der Tod des X läßt unabhängig vom Todestag (Stichtag) die bestehenden vertraglichen Verpflichtungen unberührt; sie gehen auf die Erben über § 1922 BGB). Dies gilt gem. § 857 ...