Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachliche Prüfungsmöglichkeit als Voraussetzung für Zulässigkeit des AdV-Antrages. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung Körperschaftsteuer 1989 bis 1992 ges. Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1991
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Antrag ist unzulässig.
Nach § 69 Abs. 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist ein unmittelbar bei Gericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 FGO) nur zulässig, wenn die Finanzbehörde vor Anrufung des Gerichts einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Aus dem Zweck dieser Entlastungsregelung ergibt sich, daß die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen vor der Antragstellung bei Gericht erfüllt sein müssen (Zugangsvoraussetzungen: Niedersächsisches Finanzgericht vom 14. Juni 1990 VI 14/90 V NWB Nr. 45/1991, F1 342: Gräber/Koch, FGO, 3. Aufl. 1993, § 69 Rdnr. 62).
Diese Zugangsvoraussetzung verlangt zwar nicht, daß für jeden Verfahrensabschnitt in der Hauptsache (außergerichtliches Vorverfahren, Klageverfahren. Revisionsverfahren) eine Ablehnung eines Antrages erfolgen muß (BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1994 VII B 155/94, BStBl II 1995, 131). Dem Zweck der Entlastungsregelung wird der Antragsteller jedoch nur dann gerecht, wenn der Antrag bei der Behörde bereits sachlich hinreichend begründet wurde. § 69 Abs. 4 FGO kann die vom Gesetzgeber gewollte Filterwirkung nur dann erfüllen, wenn vor der Befassung des Gerichts das Aussetzungsbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die Finanzbehörde geprüft und beschieden wurde. Weist die Finanzbehörde den AdV-Antrag lediglich unter dem „formalen Aspekt” ab, daß sich Gründe für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ohne Mitwirkung des Antragstellers aus der Akte nicht ergäben, liegt darin keine sachliche Prüfung.
Dem entspricht es auch, daß ein bei Gericht gestellter Aussetzungsantrag ohne vorherige Ablehnung nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO nur dann zulässig ist, wenn die Finanzbehörde über einen sachlich begründeten Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Denn ohne nähere Begründung, also eine substantiierte Darlegung des Aussetzungsbegehrens, ist die Finanzbehörde berechtigt mit der Entscheidung über den Aussetzungsantrag bis zur Substantiierung zuzuwarten (vgl. FG Saarland, Beschluß vom 22. November 1988 2 V 223/88, EFG 1989, 130, 131; Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rdnr. 72). Eine unterschiedliche Behandlung beider Fallgruppen ist nicht gerechtfertigt, da sie vom sachlichen Gehalt völlig gleichgelagert sind.
Die Zugangsvoraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben. Die Antragstellerin hat die Einsprüche und ihre AdV-Anträge trotz Aufforderung durch das Finanzamt nicht begründet, so daß die Finanzbehörde die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Körperschaftsteuerbescheide 1989 und 1990 abgelehnt und zugleich die Einsprüche zurückgewiesen hat, weil nach Aktenlage eine Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte nicht erkennbar war. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den nunmehr im Klageverfahren vorgetragenen Tatsachen hat im Verwaltungsverfahren noch nicht stattgefunden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Antragstellerin ist die unterlegene Beteiligte.
3. Der Senat hat die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO in Verbindung mit § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO). Die Frage der Zulässigkeit bei vorheriger Ablehnung eines nicht substantiiert begründeten Antrages durch die Finanzbehörde ist durch den BFH bisher nicht entschieden.
Fundstellen