vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit Ukrain mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastungen in Form von Krankheitskosten abzugsfähig
Leitsatz (redaktionell)
- Es ist zu unterscheiden zwischen unmittelbaren Krankheitskosten und Aufwendungen, die lediglich allgemein der Vorbeugung oder Erhaltung der Gesundheit dienen. Bei Letzteren muss regelmäßig durch ein vor Beginn der Behandlung erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen werden, dass es sich im konkreten Fall um eine krankheitsbedingte Heilmaßnahme handelt.
- Bei sog. „Außenseitermethoden” (bislang nicht allgemein anerkannte medizinische Methoden) ist regelmäßig nicht erkennbar, ob lediglich eine vorbeugende, der Gesundheit allgemein dienende Maßnahme oder eine Heilbehandlung vorliegt.
- Ob Aufwendungen für alternative Behandlungsmethoden zwangsläufig sind oder dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG unterliegen, ist anhand von objektiven Maßstäben festzustellen.
- Die Behandlung mit Ukrain stellt keine allgemein anerkannte Behandlungsmethode dar. Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit Ukrain sind daher mangels Zwangsläufigkeit nicht als agB abzugfähig.
- Bei einer plötzlich diagnostizierten und lebensbedrohenden Krebserkrankung kann der Nachweis der medizinischen Indikation ausnahmsweise durch ein nachträglich erstelltes Sachverständigengutachten erbracht werden. Die Einholung eines vorherigen amtsärztlichen Attestes ist dem Betroffenen in einer solchen besonderen Situation i.d.R. weder möglich noch zuzumuten.
Normenkette
EStG § 33
Streitjahr(e)
2006
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung von Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2006.
Der Kläger wurde im Streitjahr mit seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau H zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Im August 2006 wurde bei H eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert und bereits am 21. August 2006 eine Bauchoperation zur chirurgischen Entfernung des Tumors und seiner regionären Lymphknotenmetastasen durchgeführt.
Im Anschluss an die Operation entschied sich H an Stelle der ihr von dem Krankenhaus angebotenen konventionellen Chemotherapie für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit dem Präparat Ukrain und in Kombination mit einer Sauerstoff-Mehrschritttherapie sowie einer Ozon-Sauerstoffbehandlung. Hierfür zahlten die Eheleute im Veranlagungszeitraum 2006 30.000,00 € an den behandelnden Hausarzt Dr. B – einem Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren. Mit der Behandlung wurde am 4. September 2006 begonnen. Von den im Streitjahr gezahlten Gesamtaufwendungen entfielen 15,44 % auf die Sauerstoff-Mehrschritttherapie, 7,17 % auf die Ozon-Sauerstoffbehandlung, 15,79 % auf die verabreichten Injektionen, 54,19 % auf das Präparat Ukrain, 1,61 % auf das Präparat Thymoject, 5,22 % auf das Präparat Ney Tumorin sowie 0,58 % auf Vitamin C.
Ausweislich einer Stellungnahme des B war eine nach internationaler Therapieempfehlung in der Situation der H durchzuführende Kombinationschemotherapie infolge ihres operationsbedingt geschwächten Gesundheitszustandes und einer Tumorkachexie nicht möglich. B bescheinigte der H zudem, dass sich ihr Allgemeinzustand unter der Behandlung zunehmend verbessere und die Durchführung der immunbiologischen Krebsabwehrtherapie weiterhin medizinisch notwendig sei.
Die bei der Krankenkasse beantragte Erstattung der Aufwendungen wurde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK) vom 14. November 2006 abgelehnt.
Eine im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegte amtsärztliche Stellungnahme vom 26. Juni 2007 erläuterte die Situation der H und stellte die kritischen Positionen in der Fachwelt in Bezug auf die durchgeführte Behandlung mit Ukrain kurz dar. Unter Hinweis auf „eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Untersuchungen ..., die den Grundlagen einer wissenschaftlichen Untersuchungsmethode durchaus entsprechen” kam der Amtsarzt zu folgendem Ergebnis:
„Diese Untersuchungen legen die Möglichkeit sehr nahe, dass Ukrain zukünftig möglicherweise eine interessante Medikation für die Onkologie werden könnte.…Soweit sich jemand bei fraglicher Effektivität schulmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten auch zur Vermeidung Lebensqualität reduzierender Nebenwirkungen dann für einen alternativ medizinischen Behandlungsweg einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie entscheidet, sehe ich amtsärztlicherseits vergleichbar die Voraussetzungen für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz als gegeben an.”
Der Beklagte (das Finanzamt – FA) lehnte gleichwohl eine Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung sowohl im Einkommensteuerbescheid als auch in der Einsp...