rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Klageunzulässigkeit wegen fehlender ladungsfähiger Anschrift des Klägers; Umfang der Ermittlungspflicht des Finanzgericht

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) grundsätzlich die Bezeichnung des Klägers unter Angabe der ladungsfähigen Anschrift (d.h. des tatsächlichen Wohnsitzes); dies gilt auch dann, wenn der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist. Der Kläger hat trotz eines entsprechenden Hinweises in der mündlichen Verhandlung keine ladungsfähige Anschrift benannt. Auf die Angabe der ladungsfähigen Anschrift kann zwar verzichtet werden, wenn durch die Angabe schützenswerte Interessen des Klägers gefährdet würden. Dann aber müssen dem Gericht die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet und glaubhaft gemacht werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Klägers verzichtet werden kann.

 

Normenkette

FGO § 65 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.04.2024; Aktenzeichen IX B 42/23)

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche wegen behaupteter Verletzung seiner Rechte aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geltend.

Am 22. Januar 2019 widersprach der Kläger unter Bezugnahme auf Art. 21 DSGVO gegenüber seinem früheren Wohnsitzfinanzamt – Finanzamt A – der elektronischen Übermittlung seiner personenbezogenen Daten (insbesondere per Telefon, Telefax und E-Mail), sofern keine Verschlüsselung der Übertragung nach dem Stand der Technik (z.B. mit BSI-Zertifizierung) erfolge bzw. die Übertragung ausdrücklich durch eine Rechtsvorschrift vorgeschrieben werde. Zur Begründung trug er vor, dass der Gegenstand seines Unternehmens der Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Gegenständen sei. Vorwiegend erfolge ein Umgang mit Stoffen, die im besonderen Maße für eine rechtsmissbräuchliche Anwendung geeignet seien. Zur Ausbildung von behördlichen Sprengstoffspürhunden würde betrieblich u.a. „TATP” gefertigt; einem von Terroristen wiederholt bei Sprengstoffanschlägen eingesetztem Explosivstoff. Das dafür vom Kläger eingesetzte Fertigungsverfahren sei für Dritte von Interesse. In verschiedenen Registern seien daher die personenbezogenen Daten des Klägers mit Sperrvermerken versehen, um einen Missbrauch zu verhindern.

Mit Schreiben vom 08. Mai 2019 wandte sich der Kläger erneut an sein früheres Wohnsitzfinanzamt – Finanzamt A – und beantragte, seine private Wohnanschrift durch-gehend in eine (benannte) Postfachanschrift zu ändern. Die Wohnanschrift sei aufgrund schutzwürdiger Interessen in verschiedenen Registern gesperrt, ein automatischer Abruf – auch durch Behörden – nicht möglich. Würde jemand ein Dokument „abfangen”, könnte er so an die geschützte Privatanschrift gelangen. Die Anschriftenänderung habe keine Auswirkung auf die Bevollmächtigung des Steuerberaters. Mit weiterem Schreiben vom 05. August 2019 teilte der Kläger mit, dass er auch der Nutzung seiner Wohnanschrift in Briefen und anderen Dokumenten widerspreche.

Nach erfolgtem Zuständigkeitswechsel wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 03. Januar 2020 an das nunmehr örtlich zuständige beklagte Finanzamt B unter Hinweis auf den beim Finanzamt A eingelegten Widerspruch und bat um Sachstandsmitteilung sowie bis zur Entscheidung über den Widerspruch um Aussetzung der Verarbeitung nach Art. 18 Abs. 1 lit. d) DSGVO.

Mit Schreiben vom 23. Januar 2020 teilte der Sachbearbeiter der Veranlagungsstelle des beklagten Finanzamtes B dem Kläger mit, dass zum Zeitpunkt des letzten Schriftverkehrs aufgrund des Zuständigkeitswechsels der Vorgang noch nicht vorlag, da sich die Steuerakten noch im Finanzamt A befanden. Die vom Kläger angegebene Postfachadresse sei gespeichert worden und werde künftig für alle Vorgänge verwendet.

Am 01. Februar 2020 wandte sich der Kläger erneut an den Beklagten, nachdem dieser im Büro seines Bevollmächtigten telefonisch angefragt habe, welche Anschrift konkret zu nutzen sei. Der Kläger teilte mit, dass er das Büro seines Bevollmächtigten gebeten habe, zukünftig eingehende Anrufe gemäß DSGVO zu ignorieren und den Beklagten auf den (sicheren) Postweg zu verweisen, da bei einem einfachen Telefonat ein Mithören durch Dritte möglich sei. Hinsichtlich der Frage des Beklagten zur zu verwendenden Anschrift führte er aus, dass durchgehend die Postfachadresse genutzt werden solle und bat um Mitteilung, ob und ggf. wie durch den Beklagten zukünftig durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werde, dass unverschlüsselt keine personenbezogenen Daten des Klägers elektronisch übertragen werden würden.

Mit Schreiben vom 06. Februar 2020 teilte der Sachbearbeiter der Veranlagungsstelle des Beklagten dem Kläger mit, dass nunmehr die Postfachanschrift gespeichert worden sei. Durch die Speicherung werde die Anschrift künftig für alle Vorgänge verwendet. Telefonische Anfragen unterblieben zukünftig.

Nachdem in einem Schreiben des Bekl...

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