Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerbefreiung für eine Tanzschule
Leitsatz (redaktionell)
Weder aus dem nationalen Umsatzsteuerrecht noch aus dem Unionsrecht ergibt sich eine Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze aus dem Betrieb einer Tanzschule. Dies gilt jedenfalls für Umsätze aus Tanzkursen für Erwachsene („Welttanzprogramm” und „Medaillenkurse”).
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1i; UStG § 4 Nr. 21; EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1j
Tatbestand
Streitig ist die Steuerbefreiung für die Umsätze aus den von der Klägerin angebotenen Tanzkursen „Welttanzprogramm und Medaillentanzen” gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Die Klägerin betreibt seit dem 1. Januar 2006 in der Rechtsform einer GbR eine im Allgemeinen Deutschen Tanzlehrer Verband (ADTV) organisierte Tanzschule in A, die insbesondere Leistungen im Bereich „Medaillentanzen” und „Welttanzprogramm I und II” für Anfänger und Fortgeschrittene anbietet. Die Medaillentanzkurse (Deutsches Tanzabzeichen) bauen dabei auf dem Welttanzkurs auf.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2007 bis 2011 erklärte die Klägerin zunächst steuerpflichtige Umsätze. Die eingereichten Umsatzsteuererklärungen standen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 der Abgabenordnung – AO –).
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 stellte das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur für die Klägerin eine Bescheinigung aus, wonach bestimmte Tanzkurse geeignet seien i.S.d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG auf einen Beruf als Tänzer/in oder eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorzubereiten. Hierzu zählten die tänzerische Früherziehung, Kindertanzen im frühen Vorschulalter, Kindertanzkurse im Grundschulalter, Kurse ab 9 Jahre, Tanzen im Welttanzprogramm Einstieg I und II, Welttanzprogramm komplett 1. und 2. Teil, Medaillentanzkurse ab Bronze bis Goldstar sowie Tanzschuljahr (Welttanzprogramm und Medaillentanzen komplett). Die Bescheinigung wurde mit Wirkung ab 1. Januar 2006 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt. Ausweislich der Bescheinigung sollte die Finanzbehörde in eigener Zuständigkeit entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit im Übrigen oder für die Umsätze im Einzelnen vorliegen.
Mit Schreiben vom 5. bzw. 21. Dezember 2012 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf die genannte Bescheinigung die Umsatzsteuerfestsetzung für die Streitjahre 2007 und 2011 zu ändern und unter anderem die Umsätze aus den Kursen „Welttanzprogramm I und II” sowie „Medaillenkurs” gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei zu behandeln und die Umsatzsteuer entsprechend neu festzusetzen.
Eine entsprechende Änderung erfolgte jedoch nicht. Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin vielmehr die Auffassung, dass die Umsätze aus den Erwachsenenkursen „Welttanzprogramm” und „Medaillentanzen” im Unterschied zu den Kinder- und Jugendkursen nicht steuerbefreit seien, weil die streitigen Kurse von ihrer Zielsetzung her nach der allgemeinen Verkehrsauffassung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet seien. Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde sei als Grundlagenbescheid nur insoweit bindend, dass und für welchen Zeitraum die Bildungseinrichtung auf einen Beruf oder auf eine von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereite. Bei dem Tanzunterricht im Rahmen des „Welttanzprogramms” gehe es um das Erlernen von Tänzen und Tanzformen, die zu den weltweit gespielten Musikrichtungen passen würden, wie z.B. Disco, Swing und Walzer. Unterrichtsziel sei, zu jedem gesellschaftlichen Anlass den passenden Tanz zu erkennen und anzuwenden. Die Medaillenkurse bauten auf den Welttanzkursen auf und dienten dazu, die bis dahin erworbenen Fähigkeiten zu erweitern und zu verfeinern. Auch in diesen Kursen würden Gesellschaftstänze geübt, also im Privatleben angewandte Fähigkeiten ausgebaut.
Dass nach der Ausbildungsordnung des ADTV das Tanzen der Paartänze des „Welttanzprogramms” Teil der Ausbildung zum Tanzlehrer sei, führe zu keiner anderen Beurteilung, weil die verbandsinterne Richtlinie nicht rechtlich verbindlich sei. Die Ausbildung zum Tanzlehrer nach dieser Ausbildungsordnung sei weder Voraussetzung für die Tätigkeit als Tanzlehrer noch für das Führen einer Tanzschule. Vielmehr würden die Kurse nach der allgemeinen Lebenserfahrung von erwachsenen Teilnehmern besucht, die generell am Tanz interessiert seien.
Am xx.xx. 2013 reichte die Klägerin ihre Umsatzsteuererklärung für 2012 ein, in der sie neben Umsätzen zu 19 % in Höhe von xxx € und abziehbaren Vorsteuerbeträgen in Höhe von xxx € steuerfreie Umsätze in Höhe von xxx € erklärte. Der Beklagte folgte den Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und erließ nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre und einen Umsatzsteuerbescheid für 2012, in denen jeweils die Umsät...