rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Kapitalrücklagen – Unentgeltliche Ausgabe von Aktien
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Begriff der Einkünfte aus KapV gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.
- Werden einem Gesellschafter Freianteile an der Gesellschaft gewährt, handelt es sich regelmäßig um einen sonstigen Bezug § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.
- Diese Grundsätze gelten nicht, wenn die KapG Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht.
- Die am 17.11.2009 vom indischen Konzern Reliance Industries Ltd. beschlossene Ausgabe von Aktien an ihre Aktionäre führt nicht zu Einnahmen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.
Normenkette
AktG §§ 207-210, 212, 216; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 2; GmbHG § 57c Abs. 2, § 57d Abs. 1, §§ 57i, 57j, 57m; KapErhStG §§ 1, 7 Abs. 1
Streitjahr(e)
2009
Tatbestand
Streitig ist, ob die unentgeltliche Ausgabe von Aktien durch die Firma Reliance Industries Limited (zukünftig: RI Ltd.) im Jahr 2009 zu Einkünften aus Kapitalvermögen geführt hat.
Die Klägerin hielt in ihrem Depot bei der X-Bank 700 Stück Anteile an der RI Ltd. (WKN 884241). Die Gesellschaft ist Indiens größtes privates Unternehmen. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Bereich Petrochemie und Textilien. Das Wirtschaftsjahr erstreckt sich vom 1. April bis zum 31. März.
Die Aktien hatten ausweislich eines Auszugs aus dem Depotbestand vom 23. November 2009 einen Kurswert von 61,60 € pro Stück (= 43.120 €). Durch eine Kapitalmaßnahme der RI Ltd. wurde der Kurswert der gehaltenen Anteile halbiert. Ausweislich eines Auszugs aus dem Depotbestand vom 25. November 2009 betrug der Kurswert für die 700 Stück nur noch 30,94 € pro Stück (= 21.658 €). Dafür erhielt die Klägerin unentgeltlich weitere 700 Aktien an der RI Ltd. Die nunmehr vorhandenen 1.400 Stück Aktien hatten ausweislich eines Auszugs aus dem Depotbestand vom 21. Dezember 2009 einen Kurswert von 30,15 € pro Stück (= 42.210 €).
Die X-Bank war der Auffassung, dass es sich bei den neu erhaltenen Aktien um Bonusaktien handele und bescheinigte aus dem Vorgang Kapitalerträge in Höhe von 21.325,15 €. Die Bank behielt 5.331,29 € Kapitalertragsteuer und 293,22 € Solidaritätszuschlag ein. Dabei folgte die Bank einer Empfehlung der Firma A, die zu einem Kapitalertragsteuereinbehalt geraten hatte.
Die Klägerin erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung 2009 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 29.286 €. Darin waren die 21.325 € aus dem eben beschriebenen Vorgang enthalten. Mit Einkommensteuerbescheid 2009 vom 11. Oktober 2010 wurden die Einkünfte aus Kapitalvermögen antragsgemäß berücksichtigt.
Hiergegen legte die Klägerin am 26. Oktober 2010 Einspruch ein. Es handele sich bei der Ausgabe der Freianteile um einen sog. Aktiensplit, der steuerlich unbeachtlich sei. Die Einbuchung der weiteren 700 Aktien in das Depot der Klägerin stelle keinen steuerpflichtigen Zugang von Bonusaktien sondern eine Umwandlung von Rücklagen der Gesellschaft in Stammkapital dar. Es habe keine Vermögensmehrung bei der Klägerin stattgefunden. Der Vorgang hätte als Erhalt von Gratis- oder Berichtigungsaktien im Sinne von § 1 KapErhStG behandelt werden müssen. Eine Veränderung des Beteiligungsverhältnisses habe nicht stattgefunden. Durch die falsche Übersetzung des von der ausgebenden ausländischen Aktiengesellschaft als „bonus shares” bezeichneten Vorgangs habe die X-Bank fälschlicherweise Kapitalertragsteuer einbehalten und eine entsprechende Steuerbescheinigung erstellt.
Die Klägerin legte einen Auszug aus dem Jahresbericht 2008/2009 der RI Ltd. (Seite 10) vor, in dem ausgeführt wurde, dass der Vorstand der RI Ltd. autorisiert werde, einen Betrag bis zu 1669.73.75840 Rs aus den Ausgleichsrücklagen, den Kapitalrücklagen, den Gewinnrücklagen oder solchen anderen Konten zu kapitalisieren, die für diese Kapitalmaßnahme geeignet seien und zwar auf der Basis des testierten Abschlusses per 31. März 2009. Der erwähnte Betrag werde in das Stammkapital übertragen und diene der Anmeldung, Ausgabe und Zuteilung von Stammaktien bis zu 166.97.37.584 Stammaktien über je 10 Rs als voll eingezahlte Gratisaktien. Dies erfolge zugunsten der berechtigten Gesellschafter, welche Stammaktien über je 10 Rs halten und im Aktienbuch der Gesellschaft namentlich aufgeführt seien, und zwar zu einem vom Vorstand noch festzulegenden Datum (Stichtag). Die Zuteilung erfolge in dem Verhältnis, dass jeweils eine neue voll eingezahlte Stammaktie über je 10 Rs auf jeweils eine voll eingezahlte Stammaktie über 10 Rs entfalle, die zum Stichtag vorhanden sei. Die auf diese Weise ausgegebenen und zugeteilten neuen Stammaktien seien in jeder Hinsicht als eine Erhöhung des nominalen Stammkapitalanteils der Gesellschaft in Bezug auf jeden Aktionär anzusehen. Sie seien nicht als Einkommen zu betrachten.
Außerdem legte die Klägerin ein Schreiben der RI Ltd. an die Luxembourg Stock Exchange vom 20. November 2009 vor, in dem die RI Ltd. der Luxembourg Stock Exchange mitteilte, dass in der Haupt...