rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Pflegekindschaftsverhältnis zwischen Pflegeeltern und Kind
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Begriff des Pflegekindes i. S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG.
- Zur familienähnlichen Beziehung zwischen Pflegeeltern und Pflegekind.
- Ein Pflegekindschaftsverhältnis zwischen Pflegeeltern und einem Kind kann auch dann bestehen, wenn das Kind im Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme fast volljährig ist und es weiterhin telefonischen und sporadischen Besuchskontakt zu einem leiblichen Elternteil hat.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 S. 1; SGB VIII §§ 33, 39
Streitjahr(e)
2012
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger aufgrund eines Pflegekindschaftsverhältnisses für das Kind D (geb. am 13. Februar 1995) kindergeldberechtigt ist.
D ist in R in Nordrhein-Westfalen geboren worden. Die Kindsmutter, Frau C, hat sich später von dem Kindsvater, Herrn G (zukünftig: Beigeladener), getrennt und ist zusammen mit D nach K verzogen. Die Eltern von D sind inzwischen geschieden.
Die Kindesmutter hatte erhebliche Schwierigkeiten mit der Erziehung von D. Deshalb kam D mit ungefähr neun Jahren in eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in H („Haus T”). Dort wurde sie ungefähr fünf Jahre lang betreut.
Im Juni 2009 zog D zum Beigeladenen nach R. Der Beigeladene beantragte und erhielt das Kindergeld. In dem Haushalt des Beigeladenen gab es aber sofort wieder erhebliche Schwierigkeiten. Ausweislich eines Schreibens der Stadt R gewährte die Stadt bereits ab dem 27. September 2009 wieder Erziehungshilfe gemäß § 34 SGB VIII. D kehrte in das Haus T zurück. Das Kindergeld wurde ab November 2009 zugunsten der Stadt R abgezweigt.
D blieb jedoch nicht in der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung sondern war abgängig. Sie übernachtete bei Freunden, ging aber nach wie vor zur Schule. Eine Lehrerin vermittelte D daraufhin einen Platz in einer Pflegefamilie. D wurde am 29. September 2011 als Pflegekind in den Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau in H aufgenommen.
Der Kläger und seine Ehefrau übernehmen regelmäßig Bereitschaftspflegedienste. Sie haben auch schon längerfristig Pflegekinder bei sich aufgenommen. Im Fall von D ist ein längerfristiger Aufenthalt bei dem Kläger und seiner Ehefrau geplant. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2013 lebte D noch im Haushalt des Klägers. Nach den Planungen soll sie noch ca. 3 ½ bis 4 Jahre (also bis ca. Anfang 2017 bis Mitte 2017) in dem Haushalt des Klägers bleiben.
Der Kläger erhält von der Stadt R Pflegegeld zu den üblichen Pflegesätzen.
D ging nach der Haushaltsaufnahme zunächst weiter zur Sonderschule. Die Pflegeeltern und D entwickelten einen Plan, wie es mit D weitergehen sollte. Momentan absolviert D eine Berufsschule. Ihr Ziel ist es, Erzieherin zu werden. D macht nach den Angaben des Klägers große Fortschritte. Ihre Zeugnisse sind gut. Geplant ist, dass D noch 1 ½ Jahre die Berufsschule absolviert, die mittlere Reife nachholt und dann eine Ausbildung als Erzieherin macht. So lange soll D im Haushalt der Pflegeeltern verbleiben.
Zu dem Beigeladenen hat D zumindest seit der Haushaltsaufnahme bei den Pflegeeltern keinen Kontakt mehr.
Mit ihrer Mutter telefoniert D jeden Mittwoch und Sonntag. Außerdem hält D über Facebook Kontakt zu ihrer Mutter. Einmal im Monat darf D ihre Mutter in K besuchen. Diese Möglichkeit wird von ihr aber nur unregelmäßig wahrgenommen. Finanzielle Unterstützung erhält D von ihrer Mutter nur in der Form, dass diese sie gelegentlich zu einem Eis einlädt oder ihr gelegentlich auf entsprechende Nachfrage ein Kleidungsstück kauft.
Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung hat D ihre Mutter im Jahr 2012 viermal besucht und im Jahr 2013 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einmal. Die vier Besuche in 2012 hätten dreimal über das Wochenende stattgefunden. Das vierte Mal habe es sich nur um ein kurzes Kaffeetrinken gehandelt. Der Besuch in 2013 sei nur ein kurzer Besuch am Nachmittag gewesen. Zweimal habe die Kindsmutter D in H besucht.
Der Kläger berichtete in der mündlichen Verhandlung von Gesprächen mit D, aus denen sich ergeben habe, dass sie zwar gut mit ihrer Mutter reden könne, dass sie aber nicht dauerhaft dort wohnen wolle. Sie wolle im Haushalt des Klägers bleiben. Sie komme mit dem Lebensgefährten der Mutter nicht klar.
D gab in der mündlichen Verhandlung an, dass sie sich bei ihren Pflegeeltern wohl fühle. Die Pflegeeltern würden sich um sie kümmern. Ihr Zuhause sei bei ihrer Pflegefamilie. Sie habe dort alles, was sie brauche. Sie habe Taschengeld, ein eigenes Zimmer und ihre Freiheiten. Ihre Mutter sei aber noch immer ein wesentlicher Bestandteil in ihrem Leben. Wenn es bei ihrer Mutter nicht dauernd „Stress” gäbe, würde sie sich auch dort wohl fühlen. Es sei aber so, dass es bereits „Stress” gebe, wenn sie zwei oder drei Tage bei ihrer Mutter sei. Sie habe dies schon des Öfteren ausprobiert. Sie werde auf keinen Fall zu ihrer Mutter zurückkehren. Zum Geburtst...