Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1989 und 1990
Leitsatz (redaktionell)
Rücklage wegen Ersatzbeschaffung: Die Neutralisierung aufgedeckter stiller Reserven durch deren Abzug von den Anschaffungskosten eines Ersatzwirtschaftsguts oder Bildung einer Rücklage wegen Ersatzbeschaffung ist nicht nur zulässig bei Schadenseintritt durch Elementarereignisse (z.B. Brand, Sturm, Überschwemmung), sondern auch bei vom Steuerpflichtigen nicht gewollten Zufallsereignissen (z.B. Diebstahl, Verkehrsunfall als unabwendbares Ereignis).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1989 und 1990 in der Gestalt des Einspruchsbescheids und der Änderungsbescheide, jeweils vom 29. März 1995, wird die Einkommensteuer 1989 auf 1.914 DM und die Einkommensteuer 1990 auf 1.205 DM festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die in einem zum Betriebsvermögen gehörenden Pkw enthaltenen stillen Reserven nach dessen unfallbedingtem Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen erfolgsneutral im Wege der Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung bzw. des Abzugs von den Anschaffungskosten eines Ersatzwirtschaftsguts zu behandeln sind.
Der Kläger (Kl.) ist Inhaber eines forst- und landwirtschaftlichen Betriebes. Der Gewinn wird gem. § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt. Im Wirtschaftsjahr 1989/90 wurde ein zum Betriebsvermögen gehörender Pkw durch einen Verkehrsunfall beschädigt. Der Pkw schied aus dem Betriebsvermögen aus. Ein anderer Verkehrsteilnehmer hatte den Unfall dadurch schuldhaft verursacht, dass er auf den geparkten Pkw des Kl. aufgefahren war.
Der Buchwert des Pkw betrug am Tage des Unfalls 6.749,99 DM. Die von dem Unfallgegner geleistete Entschädigung belief sich auf 16.739,58 DM. Daraus ergaben sich aus außerordentlicher Ertrag aufzulösende stille Reserven in Höhe von 9.989,59 DM. Für den ausgeschiedenen Pkw wurde ein Ersatzwirtschaftsgut gegen Anschaffungskosten von 21.700 DM erworben.
Der Kl. beantragte unter Hinweis auf Abschn. 35 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) die Bildung einer Rücklage wegen Ersatzbeschaffung bzw. den Abzug der aufzulösenden stillen Reserven vonden Anschaffungskosten des Ersatzwirtschaftsguts.
Der Beklagte (Finanzamt – FA) lehnte das ab und erließ aufgrund einer Außenprüfung wegen anderer nicht mehr streitiger Punkte geänderte Einkommensteuerbescheide 1989 und 1990, letztmals in der Gestalt der Änderungsbescheide und des Einspruchsbescheids vom 29. März 1995.
Dagegen richtet sich die Klage. Sie wird wie folgt begründet: Höhere Gewalt im Sinne der Rechtsprechung zur Rücklage wegen Ersatzbeschaffung liege auch vor, wenn ein Fahrzeug durch einenunverschuldeten Verkehrsunfall vernichtet oder beschädigt werde und dadurch ohne jedes Zutun des Steuerpflichtigen die stillen Reserven aufgedeckt würden. In solchen Fällen solle nicht ein Teil der Entschädigung weggesteuert werden, die für die Anschaffung oder Herstellung eines Ersatzwirtschaftsgutes benötigt würden. Das gelte auch bei einem unfallbedingten Ausscheiden eines Pkw aus dem Betriebsvermögen. Die nunmehr anders lautende Regelung in den EStR sei unzutreffend. Dies gelte um so mehr, als nach dem weiteren Inhalt dieser Richtlinien bei Diebstahl höhere Gewalt vorliegen soll. Weshalb stille Reserven bei Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen bei Diebstahl nicht, wohl aber bei Vernichtung durch einen Verkehrsunfall aufgelöst werden müssten, sei mangels sachlicher Begründung nicht nachvollziehbar. Entscheidend sei die Frage, ob stille Reserven von der Besteuerung verschont werden sollen, wenn sie gegen den Willen des Steuerpflichtigen aufgedeckt werden und der Steuerpflichtige die zufließende Entschädigung für die Beschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts benötige. Eine Differenzierung nach der Häufigkeit oder Seltenheit des schadenstiftenden Ereignisses sei nicht stichhaltig. Eher könne man danach unterscheiden, ob das ausgeschiedene Wirtschaftsgut und das angeschaffte Ersatzwirtschaftsgut betriebsnotwendig seien oder nicht.
Die Kl. beantragen,
unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1989 und 1990 inder Gestalt des Einspruchsbescheids und der Änderungsbescheide vom 29. März 1995 die Einkommensteuer 1989 auf 1.914 DM und die Einkommensteuer 1990 auf 1.206 DM festzusetzen, für den Fall ihres Unterliegens, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
für den Fall seines Unterliegens, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Es hält dem Vorbringen unter Bezugnahme auf Abschn. 35 u.a. der EStR 199...