rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Unvollständige Angaben in der Steuererklärung begründen nicht in jedem Fall den Vorwurf des groben Verschuldens gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann.

2. Subjektive Rechtsirrtümer, die zu einem nachträglichen Bekanntwerden von Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO führen, schließen grobe Fahrlässigkeit aus.

3. Auch bei unvollständigen Angaben in einer Steuererklärung kann ein subjektiver Rechtsirrtum vorliegen. Mangelnde steuerrechtliche Kenntnisse eines Stpfl. ohne einschlägige Ausbildung begründen für sich allein kein grobes Verschulden.

4. Wird eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beantwortet, liegt regelmäßig grobes Verschulden vor. Ob das im Einzelfall gegeben ist, ist im Wesentlichen eine Tatfrage. Wird der inhaltliche Sinn einer Frage nicht verstanden und die Frage daher unbeantwortet gelassen, spricht das gegen grobes Verschulden. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich bei den nicht beantworteten Fragen des Erklärungsformulars um nur schwer verständliche Fragestellungen handelt.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

1994, 1995

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide 1994 und 1995 noch geändert werden können.

Die Kläger sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger erzielte als Geschäftsführer der B Unternehmensberatung GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

In ihren Einkommensteuererklärungen 1994 und 1995 machten die Kläger bei den Sonderausgaben keinen Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltend. Dagegen wurden erhebliche Beiträge für Kranken-, Unfall- und Lebensversicherungen geltend gemacht. Aus den beigefügten Lohnsteuerkarten war ersichtlich, dass für den Kläger keine Sozialversicherungsabgaben (Arbeitnehmeranteil) geleistet worden waren.

Die Frage auf der Anlage N, ob trotz fehlender gesetzlicher Rentenversicherungspflicht eine Anwartschaft auf Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigenen Beitragsleistung entstanden sei, wurde nicht angekreuzt. Die Kläger kreuzten auch nicht die darauf folgende Frage an, ob bei fehlender gesetzlicher Rentenversicherungspflicht keine Anwartschaft auf Altersversorgung oder nur eine Anwartschaft aufgrund eigener Beitragsleistung entstanden sei.

Die Kläger haben diese Fragen auch in den Vorjahren nicht beantwortet. In den Jahren 1992 und 1993 gewährte der Beklagte den Kläger die gekürzte Vorsorgepauschale. In den Streitjahren wurde die Kennzahl für die ungekürzte Vorsorgepauschale eingegeben.

In dem Einkommensteuerbescheid 1994 vom xx.xx 1997 und in dem Einkommensteuerbescheid 1995 vom xx.xx 1997 wurde der sogenannte Vorwegabzug jeweils bis auf DM 0 gekürzt. Die Bescheide wurden bestandskräftig. Hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen waren die Bescheide vorläufig.

Mit Schreiben vom xx.xx 1999 begehrten die Kläger die rückwirkende Änderung der Bescheide, da der Kläger als GmbH-Gesellschaftergeschäftsführer keine Arbeitgeberzuschüsse zur Rentenversorgung erhalten habe. Er habe erst durch eine Fachzeitschrift der Stadtsparkasse von den Regelungen zum Vorwegabzug erfahren. Der Kläger sei steuerlicher Laie und ihm sei nicht bewusst gewesen, dass das erforderliche Kreuz derartige Auswirkungen habe. Da er früher Arbeitnehmer gewesen sei, sei die Begrenzung des Vorwegabzugs für ihn üblich gewesen und habe ihn nicht weiter gewundert.

Mit Bescheid vom xx.xx 1999 lehnte der Beklagte den Antrag auf Änderung der Einkommensteuerbescheide ab. Eine Änderung nach § 165 Abgabenordnung (- AO -) wurde abgelehnt, weil die Frage, ob eine Anwartschaft auf eine Altersversorgung bestehe, nicht Gegenstand der Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sei. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wurde wegen groben Verschuldens abgelehnt.

Mit am xx.xx 1999 eingegangenem Schreiben legten die Kläger Einspruch mit der Begründung ein, dass kein grobes Verschulden vorliege. Zwar hätten die Kläger die Frage auf der Anlage N nicht beantwortet, doch handele es sich nicht um eine deutlich erkennbare direkt zuzuordnende Steuervergünstigung. Zudem hätte der Beklagte erkennen müssen, dass keine Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber geleistet worden seien. Angesichts der Unklarheiten in den Erklärungen hätte der Beklagte zurückfragen müssen.

Mit Einspruchsbescheid vom xx.xx 1999 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Es liege ein grobes Verschulden der Kläger vor, weil sie eine ausdrücklich gestellte und unmissverständliche Frage nicht beantwortet hätten. Eine mögliche Verletzung von Aufklärungs- oder Fürsorgepflichten des Finanzamtes sei demgegenüber unbeachtlich.

Mit am xx.xx 1999 eingegangener Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die Kläger tragen vor, dass lediglich ein Versehen der Kläge...

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