Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung des Finanzamts an den Grundsatz von Treu und Glauben trotz Vorbehalts der Nachprüfung bei Entscheidung über Investitionszulage
Leitsatz (redaktionell)
- Erlässt das FA aufgrund eines Einspruchs nach abschließender Sachverhaltsprüfung einen Abhilfebescheid, so ist es, auch wenn der Abhilfebescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, grundsätzlich bei der endgültigen Entscheidung gehindert, auf der Grundlage desselben Sachverhalts die ehemals streitig gewesene Rechtsfrage nunmehr zu Ungunsten des Stpfl. anders zu beurteilen.
- Zwar kann das FA nach vorangegangener Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung den gesamten Steuerfall im Tatsächlichen und Rechtlichen grundsätzlich neu überprüfen. Diese Überprüfungsmöglichkeit ist aber dann ausgeschlossen, wenn das FA dem Stpfl. gegenüber eindeutig zu verstehen gegeben hat, dass eine streitige Rechtsfrage in der einen oder anderen Richtung endgültig geklärt sei.
- Das gilt auch dann, wenn das FA in einem Antragsverfahren nach dem Investitionszulagengesetz nach erkennbar geäußerter Rechtsauffassung die Festsetzung - aus anderen Gründen - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchführt.
Normenkette
AO § 164 Abs. 1; InvZulG § 6 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (das beklagte Finanzamt - FA -) eine bereits gewährte Investitionszulage für das Jahr 1993 von der Klägerin (- Kl'in -) zurückfordern durfte, weil die Klägerin bei der Antragstellung den Vordruck für die Investitionszulage 1991 (IZ ) verwandt hatte.Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die ... (im folgenden P-GmbH), unterhielt im Streitjahr 1993 in M (Brandenburg) einen Produktionsbetrieb.
Die P-GmbH beantragte für das Streitjahr 1993 fristgerecht die Investitionszulage. Wie im Vorjahr benutzte die P-GmbH dazu den Vordruck IZ (91) und änderte im Kopf des Antrags jeweils die Jahreszahl "91" in "93". Vor einer Entscheidung über den Antrag veranlaßte das - damals zuständige - FA eine Investitionszulagen-Sonderprüfung. Nach der Prüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, die Investitionszulage sei nicht wirksam beantragt, da der Antrag nicht auf dem Formular IZ (93) gestellt worden sei. Daraufhin lehnte das - damals zuständige - FA den Antrag mit der bereits vom Prüfer angekündigten Begründung ab.
Im anschließenden Einspruchsverfahren empfahl das - damals zuständige - FA der P-GmbH zunächst noch, den Einspruch zurückzunehmen, da er keinen Erfolg verspreche, weil der Antrag nicht auf dem Vordruck IZ (93) gestellt worden sei (vgl. Bl. 27 der Heftung 1993 der InvZul-Akte). Nachdem der Beklagte örtlich zuständig geworden war, gelangte die Rechtsbehelfsstelle des Beklagten zu der Auffassung, dass die Antragstellung auf dem Vordruck für ein anderes Jahr im Streitfall unschädlich sei, weil - anders als im Fall des Thüringer FG (Urteil vom 15. November 1995 I 136/95, EFG 1996, 338) - die Abweichungen ganz offensichtlich nicht relevant seien. Daraufhin gewährte das FA im Mai 1996 die beantragte Investitionszulage. Im Bescheid hieß es weiter (vgl. Bl. 42 der Heftung 1993 der InvZul-Akte):
"Begründung und Nebenbestimmungen:
Dieser Bescheid ergeht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung)
Die Belege bleiben bis zum Abschluß einer Investitionszulagen-Sonderprüfung bei den Steuerakten. Hiermit erledigt sich Ihr Einspruch vom 4.1.96."
Im Rahmen der angekündigten Investitionszulagen-Sonderprüfung wurde dem FA sodann das Urteil des Bundesfinanzhofes (- BFH -) vom 16. Juli 1997 bekannt (III R 266/94, BStBl II 1998, 31), in dem der BFH einen Antrag auf Investitionszulage nach der Investitionszulagenverordnung der DDR (InvZulVO) als unwirksam angesehen hatte, weil er auf dem Vordruck des Investitionszulagengesetzes (InvZulG 1991) gestellt worden war. Das FA folgerte daraus, dass auch der Antrag der P-GmbH für die Investitionszulage 1993 nicht wirksam gestellt worden sei.
Im April 1998 - rund 23 Monate nach der Festsetzung der Investitionszulage - hob das FA den Bescheid über die Investitionszulage 1993 wieder auf. Zur Begründung verwies es auf den Vorbehalt der Nachprüfung und die oben angeführte neue Rechtsprechung des BFH. Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.
Die Klägerin ist der Ansicht, aus dem Urteil des BFH vom 16. Juli 1997 (aaO.), das zur InvZulVOund einem anderen Gesetzeswortlaut ergangen sei, lasse sich die Rechtsansicht des FA nicht begründen. Der BFH habe nicht entschieden, ob Anträge nach dem InvZulG unwirksam seien, wenn ein früherer Vordruck unter Änderung der Jahreszahl verwendet werde. Außerdem habe sie nach der Abhilfeentscheidung des FA und Gewährung der beantragten Investitionszulage auf den Bestand des Bescheides vertraut. Damals sei es im Einspruchsverfahren einzig um die Frage der formell richtigen Antragstellung gegangen. Diese Frage sei vom FA geprüft worden und habe zur Abhilfeentscheidung geführt. Sie habe diesen Punkt damit als endgültig erledigt betrach...