Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Kostenentscheidung im Rahmen der Erinnerung gegen die Festsetzung der zu erstattenden Aufwendungen nach § 149 Abs. 2 FGO
Leitsatz (redaktionell)
Der unterliegende Beteiligte trägt die außergerichtlichen Kosten des Gegners auch dann, wenn er der Erinnerung nicht entgegengetreten ist (entgegen Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. April 2010 2 KO 271/10).
Normenkette
VV RVG Nrn. 1002-1003
Streitjahr(e)
2013, 2014, 2015, 2016
Tatbestand
In dem Klageverfahren der Erinnerungsführerin gegen den Erinnerungsgegner wegen gesonderter Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb 2013 bis 2016, Umsatzsteuer 2013 bis 2016 und Gewerbesteuermessbetrag 2013 bis 2016, welches Anfang 2020 seinen Ausgang nahm, gab die Gerichtsprüferin des niedersächsischen Finanzgerichts am 4. Januar 2023 eine umfangreiche Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit der vom Erinnerungsgegner vorgenommenen Hinzuschätzungen ab (42 Seiten zuzüglich Anhänge).
Der Berichterstatter übersandte die Stellungnahme an die Beteiligten und fragte an, ob das Ergebnis zur Grundlage einer Einigung gemacht werden könne. Dies würde zu einem Obsiegen der Klägerin in Höhe von ungefähr 35 % führen.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2023 führte der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin aus, dass Einverständnis bestehe, die Stellungnahme der Gerichtsprüferin zur Grundlage einer Einigung zu machen. Es werde ein entsprechender Vergleichsvorschlag erbeten.
Der Erinnerungsgegner äußerte sich dagegen in einem Schreiben vom 28. Februar 2023 ablehnend. Erst nach mehreren Telefonaten zwischen dem Berichterstatter und der Sachbearbeiterin bzw. dem Sachgebietsleiter des Erinnerungsgegners bestand auch auf Seiten des Erinnerungsgegners Bereitschaft, die Stellungnahme der Gerichtsprüferin zu akzeptieren.
Daraufhin unterbreitete der Berichterstatter mit Schreiben vom 5. April 2023 einen Einigungsvorschlag, nach dessen Inhalt der Erinnerungsgegner eine Verpflichtungserklärung abgeben sollte, die auf der Stellungnahme der Gerichtsprüferin basierte.
Hierzu war der Erinnerungsgegner zunächst nicht bereit. Er verlangte vielmehr vorab eine ausdrückliche schriftliche Erklärung der Erinnerungsführerin, dass sie nach Abgabe der Verpflichtungserklärung durch den Erinnerungsgegner den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären werde.
Der Prozessbevollmächtigte bestätigte gegenüber dem Vorsitzenden des 13. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts telefonisch, dass der Rechtsstreit auf der Grundlage des Schreibens des Berichterstatters vom 5. April 2023 beendet werden solle.
Außerdem erteilte die Erinnerungsführerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. Mai 2023 die von dem Erinnerungsgegner gewünschte Erklärung.
Daraufhin gab der Erinnerungsgegner mit Schreiben vom 25. Mai 2023 die Verpflichtungserklärung ab und erklärte der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin ließ mit Schreiben vom 2. Juni 2023 das weitergehende Klagebegehren fallen und erklärte ebenfalls den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Mit Beschluss vom 5. Juni 2023 traf der Berichterstatter eine Kostengrundentscheidung dahingehend, dass die Kosten des Verfahrens von der Erinnerungsführerin zu 65 % und von dem Erinnerungsgegner zu 35 % zu tragen waren.
Das Gericht ermittelte einen Streitwert in Höhe von 135.674 €.
Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsführerin am 20. Juni 2023 folgende Kostenfestsetzung:
Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG |
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2.676,80 € |
Terminsgebühr Nr. 3202 VV RVG |
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2.007,60 € |
Zwischensumme |
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4.684,40 € |
Pauschale für Post und Telekommunikation |
Nr. 7022 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme netto |
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4.704,40 € |
Gerichtskosten |
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284,00 € |
Gesamtsumme |
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4.988,40 € |
35% hiervon – im Kostenfestsetzungsantrag nicht ausgewiesen: |
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1.745,94 € |
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte mit Beschluss vom 6. Oktober 2023 die zu erstattenden Kosten in Höhe von 943,88 € wie folgt fest:
Verfahrensgebühr Nr. 3200 VV RVG |
2.676,80 € |
Auslagenpauschale Nr. 7022 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme |
2.696,80 € |
Gesamtbetrag (35%) |
943,88 € |
Eine Terminsgebühr setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht an, weil keine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden habe. Der Senat habe nicht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung oder durch Gerichtsbescheid entschieden. Es sei auch keine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3200 Abs. 1 VV RVG in Verbindung mit Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VV RVG verdient worden. Voraussetzung hierfür sei, dass es durch anwaltliche Mitwirkung zu einer teilweisen Abhilfe gekommen sei. Vorliegend habe der Anwalt lediglich den Einigungsvorschlag der Gerichtsprüferin angenommen. Das reiche nicht aus.
Mit am 20. Oktober 2023 eingegangener Erinnerung erhob die Erinnerungsführerin die vorliegende Erinnerung. Sie führte aus, dass die beantragte Terminsgebühr verdient worden sei. Der Prozessbevollmächtigte habe vor der Abgabe der Erklärung vom 30. Januar 2023 die Stellungnahme der Gerichtsp...