vorläufig nicht rechtskräftig
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt
Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelte steuerliche Erfassung des Vermögenszuwachses beim Erben durch Erbschaft- und Einkommensteuer
Leitsatz (redaktionell)
- Erbschaft- und Einkommensteuer können wegen ihrer unterschiedlichen Besteuerungsgegenstände grds. kumulativ nebeneinander erhoben werden.
- Eine mögliche Doppelbelastung ist im System beider Steuern begründet.
- Diese Doppelbelastung ist nicht zwingend verfassungsrechtlich unzulässig.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 2 S. 1, Abs. 3
Streitjahr(e)
2003
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Höhe eines Aufgabegewinns bei Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Die Kläger werden als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Der Kläger ist Alleinerbe seines am 31. Januar 2003 verstorbenen Vaters H. Zu dem Nachlass gehörte u.a. das mit Wohnungen, Lager und Garagen bebaute Grundstück __ in O mit einer Gesamtfläche von 2.045 qm.
Für Zwecke der Erbschaftsteuer ermittelte der Beklagte (das Finanzamt – FA) für das bewertungsrechtlich dem Grundvermögen zuzuordnende gemischt genutzte Grundstück einen Grundbesitzwert (Bedarfswert) in Höhe von 241.500 EUR:
Wohnungen |
166.354 EUR |
Lager |
48.774 EUR |
Garagen |
26.662 EUR |
Grundbesitzwert |
241.500 EUR |
Der steuerpflichtige Erwerb betrug 58.400 EUR. Bei einem Steuersatz von 11 % wurde Erbschaftsteuer in Höhe von 6.424 EUR erhoben. Der Erbschaftsteuerbescheid ist bestandskräftig.
Ertragsteuerlich befanden sich Lager und Garagen sowie ein entsprechender Anteil des Grund und Bodens (753 qm) bei H im Betriebsvermögen seines ruhenden Gewerbebetriebes. Der Kläger überführte diese Wirtschaftsgüter in sein Privatvermögen und ermittelte einen Aufgabegewinn zum 31. Dezember 2003 in Höhe von 73.300 EUR wie folgt:
Gebäudewert Lager |
8.298,51 EUR |
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Gebäudewert Garagen |
2.700,00 EUR |
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10.998,51 EUR |
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10 % Abschlag (Bewertungsunsicherheit) |
./. 1.099,85 EUR |
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Buchwert |
./. 0,00 |
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Stille Reserven Gebäude |
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9.898,66 EUR |
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753 qm x 97 EUR (Bodenrichtwert 1.1.1996) |
73.041,00 EUR |
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Buchwert |
./. 9.638,40 EUR |
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Stillen Reserven GruBo |
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63.402,60 EUR |
Aufgabegewinn (gerundet) |
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73.300,00 EUR |
Der Beklagte ermittelte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung einen Bodenrichtwert zum 1. Januar 2004 in Höhe von 115 EUR je qm und erhöhte den Aufgabegewinn entsprechend auf 86.855 EUR. Die für den Veranlagungszeitraum 2003 festgesetzte Einkommensteuer betrug – unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sowie von § 34 Abs. 1 EStG – 5.990 EUR.
Hiergegen richtet sich nach Erfolglosigkeit des Einspruchs die Klage.
Der Kläger ist der Auffassung, er sei durch die Belastung des Aufgabegewinns mit Einkommensteuer in seinen Rechten verletzt, soweit der Wertzuwachs bereits im Rahmen der Erbschaftsteuer der Besteuerung unterworfen worden sei. Hierin liege ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot einer widerspruchsfreien Steuerrechtsordnung. Die Erbschaftsteuer als Erbanfall- und Bereicherungssteuer habe den Charakter einer Einkommensteuer im weiteren Sinn. Das Verhältnis der Einkommensteuer zur Erbschaftsteuer sei vom Grundsatz der alternativen Erfassung eines Vermögenszuflusses geprägt. Die Zielrichtung der Erbschaftsteuer sei auf die Erfassung der Bereicherung ohne wirtschaftliche Betätigung (unentgeltliche Vermögensmehrungen) gerichtet, die der Einkommensteuer auf den aktiv erworbenen Vermögenszuwachs (entgeltliche Leistungsfähigkeitssteigerungen). Demzufolge schlössen sie sich gegenseitig aus.
Entscheide sich der Steuergesetzgeber, einen Vermögenszuwachs beim Empfänger bereits im Rahmen der Erbschaftsteuer zu besteuern, dürfe er diesen Vermögenszuwachs zu einem späteren Zeitpunkt – bei der Aufdeckung der stillen Reserven – nicht nochmals im Rahmen der Einkommensteuer besteuern. Ein zweifacher Steuerzugriff auf denselben steuerlichen Sachverhalt sei nicht hinzunehmen.
Da es sich bewertungsrechtlich nicht um ein Betriebsgrundstück handele, könne erbschaftsteuerlich zudem nicht von der Vergünstigung des § 13a Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) profitiert werden. Bei der Betriebsaufgabe komme es infolge der vom Bewertungsrecht abweichenden Zugehörigkeit des Grundstücks zum Betriebsvermögen nun zu einer doppelten Steuerbelastung. Der Vermögenszuwachs beim Erben sei bereits beim Erbanfall versteuert und werde im gleichen Jahr ebenfalls beim Erben der Einkommensteuer unterworfen.
Um diese Lücke zu schließen und systematische Widersprüche auszuräumen, sei § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG über seinen Wortlaut hinaus verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der bei der Wertermittlung nach § 146 Bewertungsgesetz (BewG) ermittelte und der Erbschaftsteuer unterworfene Wert als Wert des Anteils am Betriebsvermögen anzusetzen sei. Danach ergebe sich folgende Berechnung:
Entnahmewert lt. ESt-Bescheid |
86.855,00 EUR |
Ansatz bei der Bedarfsbewertung (Lager) |
./. 48.774,00 EUR |
Ansatz bei der Bedarfsbewertung (Garage) |
./. 26.662,00 EUR |
Aufgabegewinn |
11.419,00 EUR |