vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [IX R 17/24)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilweise Schenkung kein privates Veräußerungsgeschäft i.S.v. § 23 EStG. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: IX R 17/24)
Leitsatz (redaktionell)
Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine tatbestandlichen Veräußerungen im Sinne des § 23 EStG.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Veräußerungsgewinn oder ein Veräußerungsverlust im Sinne des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu versteuern ist.
Der Kläger hatte im Jahr 2014 ein bebautes Grundstück für insgesamt 143.950 € erworben und anschließend (weiter) vermietet. Er erzielte insoweit Vermietungseinkünfte. Einen Teil des Erwerbs hatte er durch ein Bankdarlehen finanziert. Anfang März 2019 übertrug der Kläger diese Immobilie mit Wirkung zum 6. Juni 2019 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter. Das Bankdarlehen valutierte noch mit 115.000 €. Die Tochter übernahm diese Verpflichtung im Rahmen der Übertragung und finanzierte diese anderweitig. Beim Notar gaben die Vertragsparteien den aktuellen Verkehrswert der Immobilie – wegen der Notarkosten – mit 210.000 € an.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigte das Finanzamt (FA) diesen Vorgang als nach § 23 EStG steuerpflichtiges „privates Veräußerungsgeschäft“. Die Übertragung sei in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Vorgang aufzuteilen. Maßstab für die Aufteilung sei dabei der Verkehrswert der Immobilie im Zeitpunkt der Übertragung im Verhältnis zu den übernommenen Verbindlichkeiten. Im Einzelnen:
Verkehrswert 2019 |
210.000 € |
100,00% |
entgeltlicher Teil |
115.000 € |
54,76% |
unentgeltlicher Teil |
95.000 € |
45,34% |
Die ursprünglichen Anschaffungskosten (143.950 €) seien, so das FA, für die Aufteilung nicht relevant. Abziehbar seien dann nur die anteiligen Anschaffungskosten auf den entgeltlichen Teil. Insgesamt habe der Kläger durch die teilweise schenkweise Übertragung an die Tochter einen Veräußerungsgewinn von 40.653 € erzielt. Dieser berechne sich wie folgt:
Veräußerungserlös |
115.000 € |
./. Anschaffungskosten (143.950 € x 54,76%) |
78.828 € |
zzgl. AfA 2014 – 2019 (12.185 € x 54,76%) |
6.672 € |
./. Vorfälligkeitsentschädigung (4.000 € x 54,76%) |
2.191 € |
Veräußerungsgewinn |
40.653 € |
Im Einkommensteuerbescheid 2019 vom 3. März 2021 berücksichtigte das FA deshalb zusätzlich Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 40.655 € (rechnerisch richtig wären 40.653 € gewesen). Dadurch entstand eine um 17.075 € höhere festzusetzende Einkommensteuer. Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.
Der Kläger ist der Ansicht, eine solche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfülle bereits nicht den Tatbestand einer „Veräußerung“ im Sinne des § 23 EStG. Es handele sich um eine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift zu kurzfristig (früher 2 Jahre) bzw. mittelfristig (jetzt 10 Jahre) realisierten Gewinnen aus Immobilienspekulation unterhalb einer gewerblichen Tätigkeit. Es entspreche nicht dem Sinn und Zweck des § 23 EStG, Fälle einer Übertragung im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge im Bereich des Privatvermögens mit Ertragsteuern zu belasten. Durch die schenkweise Übertragung habe sich bei abstrakter Betrachtungsweise das Vermögen des Klägers sogar gemindert.
Im Übrigen sei eine höchstrichterliche Entscheidung zu den dazu auch von der Rechtsprechung vertretenen Lösungsansätzen (sog. strenge Trennungstheorie versus sog. „modifizierte Trennungstheorie“) bei teilentgeltlichen Übertragungen im Rahmen des § 23 EStG erforderlich.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2019 vom 3. März 2021, geändert durch Bescheid vom 9. November 2021, in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 13. Juli 2022 dahingehend zu ändern, dass keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mehr berücksichtigt werden und die Steuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und hält daran fest, dass im Streitfall ein steuerbarer Veräußerungsgewinn entstanden sei, den das FA zutreffend in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigt habe. Nach der sog. strengen Trennungstheorie, die die Finanzverwaltung anwende, habe eine Aufteilung nach Verkehrswerten zu erfolgen. Die Berechnung sei zutreffend.
Eine solche Entscheidung sei – für das FA bindend – durch Tz. 14 des BMF-Schreibens vom 13. Januar 1993 (BStBl I 1993, 80) unter Berücksichtigung der Änderungen durch das BMF-Schreiben vom 26. Februar 2007 (BStBl I 2007, 269) zur „Ertragsteuerlichen Behandlung der vorweggenommenen Erbfolge“ festgelegt.
Im Übrigen habe der Bundesfinanzhof (BFH) noch jüngst diese Verwaltungsauffassung zu § 17 EStG ausdrücklich bestätigt (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2023 IX R 15/23, BB 2024, 1317) und dabei ausgeführt, dass die vom FA angewendeten Grundsätze regelmäßig für alle teilentgeltlichen Übertragungen in den Fällen ...