vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 14/08)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Kindergeld nach deutsch-jugoslawischem Sozialabkommen auch während einer Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld
Leitsatz (redaktionell)
- Geht ein Schriftstück auf dem Postwege verloren und wird deshalb eine gesetzliche Frist nicht eingehalten, liegt ein die Wiedereinsetzung begründender Sachverhalt vor.
- Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer erhält Kindergeld nur, wenn er über einen der in § 62 Abs. 2 Nr. 1 und 2 EStG im Einzelnen aufgeführten Aufenthaltstitel verfügt. Für einen bloß geduldeten Ausländer besteht kein Kindergeldanspruch nach dem EStG.
- Ein Kindergeldanspruch kann sich aber nach dem deutsch-jugoslawischen Sozialabkommen ergeben. Danach kann Kindergeld auch während einer Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld bewilligt werden.
Normenkette
EStG § 62; SGB III § 144; FGO § 56
Streitjahr(e)
2006
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist serbischer Staatsbürger und im streitbefangenen Zeitraum (Mai und Juni 2006) Vater von zwei minderjährigen Kindern. Ausländerrechtlich wurde sein Aufenthalt geduldet. Der Kläger war zunächst sozialversicherungspflichtig beschäftigt und bezog deshalb Kindergeld nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (im folgenden: deutsch-jugoslawisches Sozialabkommen). Da er zum 18. April 2006 seinen Beruf aufgab, wurde gegen ihn gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III eine 12-wöchige Sperrfrist für den Bezug von Arbeitslosengeld I verhängt. Erst ab dem 12. Juli 2006 wurde Arbeitslosengeld I gewährt.
Nachdem die Familienkasse von der Arbeitsaufgabe Kenntnis erlangte, hob sie mit Bescheid vom 18. Dezember 2006 die Kindergeldfestsetzung für die Zeiträume Mai und Juni 2006 auf und forderte das für diese Zeit gezahlte Kindergeld in Höhe von 616,- € zurück.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den die Familienkasse mit Einspruchsbescheid vom 8. August 2007, der in der Kanzlei der Bevollmächtigten am 10. August einging, zurückgewiesen hat.
Am 11. September 2007 ging bei Gericht ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine angeblich am 14. August 2007 erhobene Klage ein. Auf den Hinweis des Gerichts mit Verfügung vom 13. September 2007, dass dort keine Klage eingegangen sei, stellte der Prozessbevollmächtigte im Hinblick auf das dort am 19. September 2007 eingegangene Schreiben des Gerichts am 4. Oktober 2007 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Diesen begründete er damit, dass er die Klageschrift am 14. August 2007 im Computer abgespeichert und in die Ausgangspost gegeben habe. Im Anschluss daran sei die Frist sowohl im elektronischen als auch im manuellen Fristenkontrollbuch gelöscht worden. Seine Büroangestellte habe die Postsendung ausreichend frankiert am selben Tage beim Postamt abgegeben. Dies wird von der Angestellten mit eidesstattlicher Versicherung bestätigt. Den Kläger habe der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 15. August 2007 von der Klageerhebung in Kenntnis gesetzt.
In der Sache verweist der Kläger darauf, dass die Sozialagentur des Landkreises N für den streitbefangenen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II gewährt und dabei Kindergeld für die Monate Mai und Juni 2006 in Anrechnung gebracht habe. Wenn kein Kindergeldanspruch bestanden habe, wären höhere Sozialleistungen zu gewähren gewesen. Die Rückforderung wäre mit den höheren Leistungen nach dem SGB II intern zu verrechnen.
Der Kläger beantragt,
den Kindergeldbescheid vom 18. Dezember 2006 und die Einspruchsentscheidung hierzu aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die Klage für zulässig, weil der Kläger Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft gemacht habe. Er meint jedoch, dass materiell-rechtlich das Kindergeld für die Monate Mai und Juni 2006 zu Recht aufgehoben worden sei. Rechtsgrundlage für die Kindergeldzahlung an den Kläger sei das deutsch-jugoslawische Sozialabkommen. Dieses setzte aber nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 voraus, dass eine Person nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses Leistungen der Arbeitslosenversicherung erhalte. Das sei hier jedoch nicht der Fall, weil gegen den Kläger eine Sperrfrist verhängt worden sei.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig.
Der Kläger hat zwar nicht innerhalb der Klagefrist von einem Monat (§ 47 FGO) gegen den Einspruchsbescheid vom 8. August 2007 Klage erhoben, sondern erst am 4. Oktober 2007.
Dem Kläger ist jedoch nach § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist gem. § 56 Abs. 2 FGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen ...