Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Steuerrechtlich ist der Nießbrauch insbesondere deshalb von Bedeutung, weil sich mit seiner Hilfe Einkünfte verlagern lassen und damit die Steuerprogression beeinflusst wird. So wird der Nießbrauch insbesondere von Familienangehörigen genutzt, um Einkunftsquellen der hoch besteuerten Eltern auf die bislang nicht oder kaum besteuerten (minderjährigen) Kinder zu verlagern. Beim Vorbehaltsnießbrauch im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge wird Vermögen übertragen, ohne die Übertragenden ganz von der Nutzung auszuschließen.
Bei Nutzungsrechten an Grundstücken unterscheidet man grundsätzlich zwischen dinglichen und obligatorischen Rechten.
- Bei Bestellung eines Nießbrauchs (außer beim Sicherungsnießbrauch) an einem bereits vermieteten Grundstück tritt der Berechtigte kraft Gesetzes in die Rechtsstellung des Eigentümers als Vermieter ein.
- Obligatorische Nutzungsrechte begründen lediglich schuldrechtliche Ansprüche zwischen den Beteiligten, ihnen fehlt der dingliche Charakter mit Wirkung gegenüber Dritten. Ein obligatorisches Nutzungsrecht kann insbesondere dann vorliegen, wenn mangels Eintragung im Grundbuch ein dingliches Nutzungsrecht nicht entstanden ist, so etwa beim fehlgeschlagenen Nießbrauch.
2.1 Kritische Prüfung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen durch Finanzverwaltung
Grundsätzlich steht es Angehörigen frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander so zu gestalten, dass sie steuerlich möglichst günstig sind. Die steuerrechtliche Anerkennung bürgerlich-rechtlicher Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen setzt voraus, dass sie klar vereinbart, ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt werden. Sie müssen dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen und dem sog. Fremdvergleich standhalten. Dieser Fremdvergleich muss durchgeführt werden, da es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem natürlichen Interessengegensatz fehlt, so dass zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden können. Durch die gleichgelagerten Interessen der vertragsschließenden nahen Angehörigen ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Vertragsgestaltung aus rein steuerrechtlichem Interesse vorgenommen wird.
Aus der Bestellung eines Nießbrauchs oder eines anderen dinglichen Nutzungsrechts (z. B. eines dinglichen Wohnrechts) zugunsten naher Angehöriger können somit steuerrechtliche Folgerungen nur gezogen werden, wenn ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nutzungsrecht begründet worden ist und die Beteiligten die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen auch tatsächlich durchführen. Hieran fehlt es, wenn äußerlich alles beim Alten bleibt und etwa nur die Erträge an den Nutzungsberechtigten abgeführt werden.
Vor diesem Hintergrund bedarf es für die Zurechnung von Vermietungseinkünften im Fall von Nutzungsrechten, die zwischen einander nahe stehenden Personen bestellt werden, zum einen der "Macht" zur entgeltlichen Gebrauchsüberlassung (Trägerschaft der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag) sowie zum anderen einer zivilrechtlich wirksamen Abrede (zwischen den nahe stehenden Personen), mit der dem Nichteigentümer die Befugnis zur Vermietung eingeräumt wird, die tatsächlich durchgeführt und damit "gelebt" wird. Während bei der Frage der Einkünftezurechnung unter fremden Dritten grundsätzlich nur auf das Außenverhältnis (Frage: Wer ist Träger der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag?) abzustellen ist, kommt es damit bei Mehrpersonen- und Treuhandverhältnissen sowie in vergleichbaren Konstellationen auch auf die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis über das Mietobjekt bzw. auf die tatsächliche oder rechtliche "Macht" und damit auf das Innenverhältnis (Frage: Wer ist zur Vermietung berechtigt?) an.
2.2 Mitwirkung eines Pflegers bei minderjährigen Kindern erforderlich
Ein Minderjähriger bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Räumen Eltern ihrem minderjährigen Kind einen Nießbrauch an einem Grundstück ein, bedarf es regelmäßig der Bestellung eines Pflegers, weil das mit dem Nießbrauch verbundene gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher neben Rechten auch Pflichten des Nießbrauchers begründet und der Nießbraucher daher nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. So ist der Eintritt des Nießbrauchers in die Vermieterstellung insoweit als rechtlich nachteilig anzusehen. Daher ist auch in den Fällen des Bruttonießbrauchs die Mitwirkung des Ergänzungspflegers erforderlich, wenn der Nießbraucher in bestehende Mietverhältnisse eintreten oder zur Vermietung verpflichtet werden soll.
Die Verpflichtungen des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer ergeben sich insbesondere aus der