Leitsatz
1. Klagt der Sozialleistungsträger gegen einen die Kindergeldfestsetzung aufhebenden Bescheid, so ist derjenige notwendig beizuladen, zu dessen Gunsten das Kindergeld bisher festgesetzt war.
2. Eine notwendige Beiladung ist ab 1. Januar 2001 auch in der Revisionsinstanz statthaft.
Normenkette
§ 60 Abs. 3 Satz 1 FGO , § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO n.F.
Sachverhalt
Wie im Verfahren VI R 181/97 hatte die Familienkasse zunächst Kindergeld für den schwerbehinderten, vollstationär untergebrachten Sohn der (beizuladenden) Eltern bewilligt. Dieses war an den Kläger als Sozialleistungsträger ausgezahlt (abgezweigt) worden. Gegen den die Kindergeldfestsetzung aufhebenden Bescheid legte nur der Kläger Einspruch und Klage ein. Das FG hatte die Eltern zu dem Verfahren über die Kindergeldberechtigung nicht beigeladen.
Entscheidung
Der BFH hat die notwendige Beiladung auf Grund des § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO i.d.F. ab 1.1.2001 (2. FGOÄndG) nachgeholt. Gründe der Verfahrensökonomie und der Verfahrensbeschleunigung sprachen dafür, das Verfahren nicht – wie früher zwingend – an die Vorinstanz zur Behebung des Verfahrensfehlers zurückzuverweisen.
Hinweis
1. Notwendige Beiladungen sollen sicherstellen, dass Sachentscheidungen, die die Rechte eines Dritten betreffen und aus diesem Grund auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen können, nicht ohne Beteiligung dieses Dritten erlassen werden. Es soll gewährleistet werden, dass der Dritte an die Rechtskraft des in der Sache ergehenden Urteils nach Maßgabe des § 110 Abs. 1 FGO gebunden ist.
2. Zunächst wird auf die Entscheidung VI R 181/97 (BFH-PR S. 203) hingewiesen. In zahlreichen Klagen von Sozialleistungsträgern gegen Bescheide, mit denen die Familienkassen Kindergeldfestsetzungen aufgehoben hatten, waren die Eltern behinderter Kinder – wie auch hier – am Verfahren nicht beteiligt. Die Eltern, obgleich Kindergeldberechtigte, wehrten sich nicht gegen die Aufhebungsbescheide, weil das Kindergeld ohnehin im Ganzen an die Sozialleistungsträger ausgezahlt worden war. Zahlreiche FGs sahen zudem aus unterschiedlichsten Gründen von einer (notwendigen) Beiladung der Eltern ab.
3. Auch im vorliegenden Verfahren ging es – obgleich nur der Sozialleistungsträger klagte – um die Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheids der Familienkasse. Streitig war die Kindergeldberechtigung der (vom FG nicht beigeladenen) Eltern. Da um das nämliche Recht (Kindergeldberechtigung) gestritten wurde, war die Beiladung notwendig; insbesondere lag auch kein Fall der widerstreitenden Steuer(vergütungs)festsetzung nach § 174 AO vor (vgl. § 31 Satz 3 EStG).
4. Sollte der BFH im Endurteil zu der Auffassung gelangen, dass der Aufhebungsbescheid der Familienkasse aufzuheben sei, würde die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung wieder erstarken bzw. die Kindergeldberechtigung der Eltern bestätigt werden. Bei einem Misserfolg der Klage stünde fest, dass eine solche Berechtigung der Eltern nicht besteht.
5. Sollte (wie im Verfahren VI R 181/97) die Klage des Sozialleistungsträgers Erfolg haben, so würde dieser (auf Grund der Beiladung) auch den Eltern zugute kommen. Obgleich diese keinen Rechtsbehelf eingelegt hatten, würde zu ihren Lasten keine Teilbestandskraft (des Aufhebungsbescheids) eintreten. In der Sache bedeutet dies, dass das behinderte Kind den Eltern steuerlich zuzurechnen wäre; damit bliebe ihnen z.B. ein Zählkindervorteil bzw. der Orts- bzw. Familienzuschlag im öffentlichen Dienst erhalten.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 12.1.2001, VI R 49/98