Leitsatz
1. Zu den gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG gehört der Zeitpunkt der Steuerentstehung (Stichtag). Anzugeben ist das genaue Datum. Wird ein unzutreffendes Datum genannt, ist der Feststellungsbescheid rechtswidrig.
2. Erwirbt eine neu errichtete Kirchengemeinde durch staatliche Anerkennung den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, kann sie erstmals zu diesem Zeitpunkt einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang verwirklichen.
Normenkette
§ 1 Abs. 3 Nr. 2, § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Kirchengemeinde, die nach staatlicher Anerkennung den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erwarb. Sie wurde durch Urkunde des zuständigen Bischofs vom XX.XX.XXXX durch die Vereinigung verschiedener Kirchengemeinden, u.a. der Kirchengemeinde A und der Kirchengemeinde B, neu errichtet. Nach der Errichtungsurkunde wurden das gesamte Vermögen der vereinigten Kirchengemeinden (einschließlich aller Forderungen, Verbindlichkeiten und Immobilien), die Kirchenbücher und die Akten der Klägerin zugeführt.
Durch Urkunde vom YY.YY.YYYY (staatliche Anerkennungsurkunde) erkannte der zuständige Regierungspräsident die bischöfliche Urkunde nach § 4 der Vereinbarung über die staatliche Mitwirkung bei der Bildung und Veränderung katholischer Kirchengemeinden zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den Diözesen im Land Nordrhein-Westfalen vom 21.11.1960 (GVBl NRW 1960, Ausgabe A, Nr. 46, S. 426 – staatliche Vereinbarung) an. Gemäß § 6 der staatlichen Vereinbarung hat die neu errichtete Kirchengemeinde, wenn die Anerkennung erteilt wird, die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts von dem Zeitpunkt an, der in der kirchlichen Errichtungsurkunde angegeben ist, frühestens jedoch von dem Tag der Anerkennung an.
Die Kirchengemeinde A war mit 80 % und die Kirchengemeinde B mit 20 % am Stammkapital der grundbesitzenden E‐GmbH beteiligt. Die E‐GmbH war Alleingesellschafterin der ebenfalls grundbesitzenden EK‐GmbH. Einige der Grundstücke lagen nicht im Zuständigkeitsbereich des FA.
Das FA war der Auffassung, durch den Übergang des Kirchenvermögens auf die Klägerin seien alle Anteile an der grundbesitzenden E‐GmbH unmittelbar und alle Anteile an der grundbesitzenden EK‐GmbH mittelbar in der Hand der Klägerin vereinigt worden. Dabei handle es sich um einen nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgang.
Das FA erließ daher gegenüber der Klägerin gemäß § 17 GrEStG einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer. In dem Bescheid gab es als Steuerstichtag den XX.XX.XXXX an.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Münster, Urteil vom 7.6.2017, 8 K 3992/14 GrE, Haufe-Index 11032545, EFG 2017, 1286).
Entscheidung
Der BFH hob auf die Revision der Klägerin das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Feststellungsbescheid auf. Der Bescheid sei rechtswidrig. Er benenne einen unzutreffenden Steuerstichtag (XX.XX.XXXX). Zutreffender Zeitpunkt der Steuerentstehung könne erst der YY.YY.YYYY gewesen sein. Denn erst zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin gemäß § 6 der staatlichen Vereinbarung die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gehabt. Nur als Rechtsträger (zumindest im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne) habe sie einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG verwirklichen und Schuldnerin der Grunderwerbsteuer i.S.d. § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG sein können.
Über die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs hat der BFH ausdrücklich nicht entschieden. Diese Frage wird in einem neuen Verfahren zu klären sein, wenn das FA nach § 174 Abs. 4 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO einen Feststellungsbescheid auf den zutreffenden Steuerstichtag erlässt.
Hinweis
1. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden bei einem nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG steuerbaren Rechtsgeschäft die Besteuerungsgrundlagen durch das Geschäftsleitungsfinanzamt gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks des Geschäftsleitungsfinanzamts belegenes Grundstück betroffen ist.
a) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegen der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht in Betracht kommt, die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG). Der Tatbestand knüpft zwar an den Anspruch auf Übertragung bzw. die Vereinigung von Gesellschaftsanteilen an, erfasst aber die infolge der Vereinigung der Anteile der Gesellschaft mit Grundbesitz in einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken. Derjenige, in dessen Hand sich die Anteile unmittelbar oder mittelbar vereinigen, wird so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen.
b) Gegenstand der nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG ...