Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Steht einem Arbeitnehmer ein Büroarbeitsplatz auch für betrieblich gewünschte Fortbildungsmaßnahmen (hier Sprachkurs) zur Verfügung, schließt dies die steuerliche Berücksichtigung von Kosten für ein zur Fortbildung genutztes häusliches Arbeitszimmer aus.
2. Ob ein "anderer Arbeitsplatz" zur Verfügung steht, hängt nicht davon ab, in welchem Umfang der Arbeitnehmer die ihm am Büroarbeitsplatz zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel nutzen darf.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5 EStG
Sachverhalt
K, als Elektrotechniker beschäftigt, verfügte in einem Großraumbüro über einen eigenen Arbeitsplatz. In seiner 80 qm großen Wohnung nutzte er ein Zimmer (10 qm) als häusliches Arbeitszimmer und machte die dafür entstandenen Aufwendungen als Werbungskosten geltend. K gab an, dass er aus beruflichen Gründen das häusliche Arbeitszimmer zur Verbesserung seiner englischen Sprachkenntnisse benötige. Er habe zu Hause einen interaktiven Computersprachkurs absolviert, weil er die entsprechende Software auf seinem Dienst-PC beim Arbeitgeber nicht hätte installieren dürfen. Insoweit habe "ein anderer Arbeitsplatz" nicht zur Verfügung gestanden. FA und auch FG berücksichtigten die Kosten nicht (FG Niedersachsen, Urteil vom 22.6.2010, 12 K 482/08, HI2621221, EFG 2011, 602).
Entscheidung
Aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen bestätigte der LSt-Senat das klageabweisende Urteil der Vorinstanz.
Hinweis
Die Entscheidung des Streitfalls gründet auf der Differenzierung zwischen "Arbeitsplatz" und den dort zur Verfügung gestellten "Arbeitsmitteln"; sie erging zum EStG 2005, gilt aber auch für die aktuelle Fassung.
1. § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 1–3 EStG a.F. regeln den Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer. Das grundsätzliche Abzugsverbot (Satz 2) gilt insbesondere dann nicht, wenn dem Steuerpflichtigen für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dabei ist Arbeitsplatz grundsätzlich jeder Platz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist, wenn ihn der Steuerpflichtige in der konkret erforderlichen Art und Weise und Umfang tatsächlich nutzen kann (BFH, Urteil vom 7.8.2003, VI R 17/01, BFH/NV 2003, 1651, BFH/PR 2003, 447; vom 5.3.2008, VI B 95/07, BFH/NV 2008, 956). Das BVerfG sorgte auch gerade erst insoweit für Klarheit, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (nur) dann steuerlich berücksichtigt werden sollen, wenn ein solches für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist. Die Erforderlichkeit soll legitimes Hilfsmittel zur typisierenden Abgrenzung von Erwerbs- und Privatsphäre sein (BVerfG, Beschluss vom 6.7.2010, 2 BvL 13/09, BFH/NV 2010, 1767). Allerdings: die Abzugsbeschränkung betrifft nur das Arbeitszimmer, nicht die dort eingesetzten Arbeitsmittel. Insoweit bleibt es bei der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG zum Ausdruck kommenden Grundregel der Abzugsfähigkeit von beruflich veranlassten Aufwendungen.
2. Der Einwand des K, dass ihm – jedenfalls für Zwecke seines Englischsprachkurses – kein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, war an diesen vorstehenden Rechtsgrundsätzen zu messen. Danach stand auf Grundlage der Feststellungen der Tatsacheninstanz K bei dessen Arbeitgeber ein "anderer Arbeitsplatz" für sämtliche berufliche Zwecke zur Verfügung. Insoweit war der Einwand des K unerheblich, ob und in welchem Umfang ihm dort die Arbeitsmittel, wie etwa im Streitfall der PC, zur Verfügung stehen und er diese nutzen darf. Denn die oben dargestellte Differenzierung zwischen Arbeitsplatz (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) und Arbeitsmittel (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG) kommt auch hier zum Tragen.
Das bedeutet: ein Arbeitsplatz steht dann zur Verfügung, wenn er zugänglich ist und dort gearbeitet werden kann. Grundsätzlich unerheblich ist dagegen, ob dem Arbeitnehmer dort auch bestimmte Arbeitsmaterialien zur Verfügung stehen oder vom Arbeitgeber zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Insoweit ist zu bedenken, dass der Arbeitnehmer auch am heimischen Arbeitsplatz selbst für geeignete Arbeitsmaterialien (hier PC) sorgen muss.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.10.2011 – VI R 91/10