Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussonderung nach § 47 InsO
Leitsatz (amtlich)
Der Eigentümer ist regelmäßig zur Aussonderung eines Gegenstandes gemäß. § 47 InsO berechtigt, den der spätere Insolvenzschuldner an den Eigentümer verkauft und der Eigentümer sogleich unter Vereinbarung von Ratenzahlung und Eigentumsvorbehalt an den späteren Insolvenzschuldner zurückverkauft hat.
Normenkette
InsO § 47
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.05.2022; Aktenzeichen 3-13 O 69/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die gegen das am 13. Mai 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main gerichtete Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 19.000,00 EUR festgesetzt.
Die Berufung war nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Tatbestand
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geboten ist. Dies hat der Senat bereits im Einzelnen im Hinweisbeschluss vom 29. Juni 2022 begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 3 ZPO).
Die Stellungnahme des Beklagten vom 18. Juli 2022 rechtfertigt keine andere Beurteilung. Auf die vom Beklagten vorgebrachten Gesichtspunkte ist der Senat bereits im Hinweisbeschluss eingegangen. Es bleibt auch nach nochmaliger Prüfung dabei, dass die von der Insolvenzschuldnerin und der Klägerin gewählte Vertragsgestaltung keinen Raum für eine Anwendung des § 51 Nr. 1 InsO lässt. Die Klägerin ist Vorbehaltseigentümerin und damit gem. § 47 InsO zur Aussonderung des Fahrzeugs berechtigt. Die Auffassung des Beklagten, die Insolvenzschuldnerin sei im Falle des Zahlungsverzugs lediglich nach Kündigung gem. Ziff. 9 der Allgemeinen Kauf- und Geschäftsbedingungen zur Herausgabe des Fahrzeugs an die Klägerin verpflichtet, trifft nicht zu. Der Vertrag enthält keinen Ausschluss des Rücktrittsrechts nach § 323 Abs. 1 BGB. Die Klägerin könnte daher bei Zahlungsverzug nach Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten und Herausgabe des Fahrzeugs verlangen (§ 449 Abs. 2 BGB). Durch einen Rücktritt würde sich der Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandeln. Die dingliche Rechtslage bliebe vom Rücktritt unberührt.
Entgegen der Ansicht des Beklagten erfordert der Umstand, dass ein mit der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbarer Sachverhalt bislang nicht Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs geworden ist, keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Klärungsbedürftig sind gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO (nur) solche entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2020 - VIII ZR 315/19 -, Rn. 10, juris). Dies ist hier nicht der Fall. Die Rechtslage ist auf der Grundlage der im Hinweisbeschluss zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eindeutig. Entgegenstehende Entscheidung anderer Obergerichte gibt es - soweit ersichtlich - nicht. Auch in der Literatur wird die Anwendbarkeit des § 47 InsO in Fällen wie dem vorliegenden nicht infrage gestellt. Die von dem Beklagten benannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. März 2008 - IX ZR 220/05 - ist auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar, weil sich die dortige Klägerin als Geldkreditgeberin zur Sicherung ihrer Forderung (zusätzlich) den Eigentumsvorbehalt des Warenkreditgebers verschafft hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in den §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
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Vorausgegangen ist unter dem 29.06.2022 folgender Hinweis (die Red.):
In dem Rechtsstreit (...)
werden die Parteien darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses.
Entscheidungsgründe
I. Der Beklagte wendet sich in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der A GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) mit der Berufung gegen die erstinstanzliche Verurteilung zur Herausgabe eines Kraftfahrzeugs.
Die Insolvenzschuldnerin schloss im Jahr 2019 eine als "Kauf- und Mietkaufvertrag" bezeichnete vertragliche Vereinbarung. Nach dieser Vereinbarung veräußerte und übereignete die Insolvenzschuldnerin einen in ihrem Eigentum stehenden Pkw1 an ihren Vertragspartner, wobei der Kaufpreis in Höhe von 19.242,37 EUR vom Vertragspartner sofort an die Insolvenzschuldnerin zu ...