Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbraucherdarlehen: Vorfälligkeitsentschädigung Immobiliardarlehen
Leitsatz (amtlich)
Die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Falle der vorzeitigen Rückzahlung ohne Kündigung müssen klar und verständlich sein, selbst wenn der Darlehensgeber über die grundsätzlich geschuldeten Angaben hinausgeht. Im Falle eines so eröffneten Informationsdefizits des Darlehensnehmers kommt eine "Heilung" mit Blick auf den Verständnishorizont nicht mehr in Betracht.
Normenkette
BGB § 492 Abs. 2, § 502 Abs. 2 Nr. 2, § 812 Abs. 1; EGBGB § 7 Abs. 2 Nr. 1; EGBGB Art. 247
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.07.2019; Aktenzeichen 2-10 O 69/19) |
Tenor
Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.07.2019 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 21.544,15 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2018 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger wenden sich mit der Berufung gegen die Abweisung ihrer Klage, mit der sie die Rückzahlung einer im Zuge der vorzeitigen Rückzahlung eines Verbraucherkreditvertrags gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung verlangt haben.
Die Kläger schlossen als Verbraucher mit der Beklagten im November 2016 zwei schriftliche Immobiliardarlehensverträge über die Gewährung grundpfandrechtlich gesicherter Darlehen in Höhe von 245.520,- EUR und 50.000,- EUR. Den Vertragsangeboten der Kläger lagen die Bedingungen für Bank1-Baufinanzierungen zugrunde in denen es unter Ziff. 7 heißt:
7. Voraussetzungen und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens
Sofern der Darlehensnehmer der Bank mitteilt, dass der Darlehensnehmer eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens beabsichtigt, wird die Bank dem Darlehensnehmer unverzüglich die für die Prüfung dieser Möglichkeit erforderlichen Informationen schriftlich übermitteln:
1. Auskunft über die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung
2. im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrages
3. gegebenenfalls die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung und
4. Kosten der Bank für zusätzlichen Aufwand der vorzeitigen Rückzahlung
5. Mitteilung über eventuelle Annahmen die im Rahmen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung erforderlich waren
Die Bank berechnet die Vorfälligkeitsentschädigung finanzmathematisch nach der sogenannten, Aktiv-Passiv'-Methode. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung ist der Zeitpunkt, zu dem die vorzeitig zurückgezahlte Darlehensvaluta bei der Bank eingeht. Im Einzelnen rechnet die Bank wie folgt:
Zunächst ermittelt die Bank unter Berücksichtigung etwa vertraglich vereinbarter Sondertilgungsrechte wann und in welcher Höhe Zahlungen vom Darlehensnehmer zu entrichten gewesen wären, wenn das Darlehen fortgeführt worden wäre. In einem weiteren Schritt ermittelt die Bank, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweiligen ausstehenden Rate zur Verfügung stehen würde. Dabei differenziert die Bank wie folgt: Soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristen-kongruenten Laufzeiten vorhanden sind, legt die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde. Die Summe der so ermittelten Anlagebeträge abzüglich des noch nicht zurückgezahlten Darlehensbetrages stellt die Ausgangssumme der Vorfälligkeitsentschädigung dar.
Zu Gunsten des Darlehensnehmers berücksichtigt die Bank bei der Berechnung, dass die nach Maßgabe des Darlehensvertrages geschuldeten, ganz oder teilweise ausfallenden Zahlungen in der Zukunft liegen. Finanzmathematisch erfolgt dies im Wege der,Abzinsung' jeder einzelnen ganz oder teilweise ausfallenden Zahlung über den Zeitraum zwischen ihrer vertraglich vereinbarten Fälligkeit und der tatsächlich erfolgenden Rückzahlung (sog. 'Barwertmethode'): Zur Abzinsung der in der Zukunft liegenden Zahlungen zieht die Bank die entsprechenden Zinssätze des Geld- und Kapitalmarkts heran, die die Bank bei der Berechnung des Zinsausfalls zugrunde legen (s. o.).
Von der so ermittelten Schadenssumme zieht die Bank
(a) zu Gunsten des Darlehensnehmers die für das Darlehen auf Seiten der Bank ersparten Verwaltungskosten ab, weil keine weitere Bearbeitung für das Darlehen erforderlich ist. Weiter wird
(b) von diesem Betrag zu Gunsten des Darlehensnehmers ein Abschlag für ersparte Risikokosten vorgenommen. Dieser resultiert darau...