Leitsatz (amtlich)
Der Umstand, dass eine in der Vergangenheit vorgenommene Erhöhung des Erbbauzinses den Erhöhungsanspruch des Grundstückseigentümers nicht ausgeschöpt hat, hat nicht zur Folge, dass er für einen späteren Zeitraum diesen Rahmen nicht ausschöpfen darf.
Verfahrensgang
LG Paderborn (Urteil vom 24.04.2013; Aktenzeichen 3 O 468/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger und die Anschlussberufung der Streithelferin wird das am 24.4.2013 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Paderborn abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 6.289,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 1.572,35 EUR seit dem 1.7.2011, 1.1.2012, 1.7.2012 und 1.1.2013 sowie vorgerichtliche Kosten i.H.v. 438,99 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage unter Zurückweisung der weiter gehenden Rechtsmittel abgewiesen.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Anpassung eines vertraglich vereinbarten Erbbauzinses.
Die Kläger sind in Erbengemeinschaft Eigentümer des Grundstücks der Gemarkung I, Flur 5, Flurstück 369 mit einer Größe von 4.443 qm, eingetragen im Grundbuch von I Blatt...
Mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 6.4.1960 bestellte der Rechtsvorgänger der Kläger, L, dem Vater und Rechtsvorgänger der Beklagten, S, an dem vorbezeichneten Grundstück ein Erbbaurecht ab dem 1.4.1960 für die Dauer von 99 Jahren mit dem Recht, auf dem Grundstück industrielle Anlagen und Maschinen mit den dazugehörigen Büro- und Wohnhäusern zu errichten. Es wurde ein jährlicher Erbbauzins i.H.v. 1.400 DM ab dem 1.4.1960 vereinbart. Dieser ist gem. § 2 des Erbbaurechtsvertrages jährlich am 1.1. und am 1.7. nachträglich fällig. Unter § 3 des Vertrages ist weiter geregelt:
"Sollte der vereinbarte Erbbauzins durch Veränderung der allgemeinen Wirtschafts- oder Währungsverhältnisse in ein Missverhältnis zu der jetzt vereinbarten Höhe gekommen sein, so ist jede Vertragspartei berechtigt, die Neufestsetzung des Erbbauzinses zu verlangen. Einigen sich die Vertragsparteien hierüber nicht, so entscheidet über die Höhe des alsdann zu entrichtenden Erbbauzinses und den Zeitpunkt der Fälligkeit des veränderten Erbbauzinses ein von der Industrie- und Handelskammer Bielefeld zu ernennender Sachverständiger im Schiedsgutachterverfahren ..."
Im Jahre 1980 kam es zu einer einvernehmlichen Erhöhung des geschuldeten Erbbauzinses von 1.400 DM auf 2.300 DM (umgerechnet von 715,80 EUR auf 1.176 EUR).
Mit Schreiben vom 4.11.2010 forderten die Kläger vom Beklagten unter Beifügung einer entsprechenden Berechnung eine Erhöhung des Erbbauzinses ab dem 1.1.2011 auf jährlich 5.848,16 EUR. Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten ermittelten unter Zugrundelegung einer Veränderung nach dem Lebenshaltungskostenindex für den Zeitraum von 1980 bis 2010 eine Erhöhung von 87 % und sahen dementsprechend einen nunmehr jährlich zu zahlenden Erbbauzins von 2.199,12 EUR für berechtigt an. Auf Grundlage dieser Berechnungen zahlte der Beklagte seit dem 1.1.2011 einen Jahreserbbauzins i.H.v. 2.200 EUR.
Da eine Einigung zwischen den Parteien über die Höhe des Erbbauzinses in der Folgezeit nicht möglich war, leiteten die Kläger das im Erbbaurechtsvertrag vereinbarte Schiedsgutachterverfahren ein. Von der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld wurde als Sachverständige die Streitverkündete Frau Dipl.-Ing. H benannt. Die Streitverkündete gelangte in ihrem Schiedsgutachten vom 11.9.2012 (vgl. Anlage zur Gerichtsakte) zum Stichtag 1.1.2011 zu einem jährlichen Erbbauzins für das streitgegenständliche Gewerbegrundstück i.H.v. 5.344,70 EUR. Wegen der Einzelheiten ihrer Berechnung wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Auf Grundlage dieser Berechnungen der Streitverkündeten forderten die Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 17.9.2012 vom Beklagten die Zahlung rückständiger Erbbauzinsen für die Jahre 2011 und 2012 i.H.v. insgesamt 6.289,40 EUR.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.11.2012 lehnte der Beklagte die Zahlung ab.
Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 6.289,40 EUR nebst 5 % Jahreszinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 1.572,35 EUR ab dem 1.1.2011, dem 1.7.2011, 1.1.2012 und dem 1.7.2012, sowie weitere 827,05 EUR zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die von der Streitverkündeten getroffene Leistungsbestimmung sei grob unbillig und unterlägen der Prüfung des Gerichts. Ausgangsindex und Anknüpfungszeitpunkt für das jetzige Erhöhungsverlangen der Kläger sei das Jahr 1980 und der damals vereinbarte Erbbauzins von 2.300 DM (1.176 EUR). Zudem sei im Rahmen der Billigkeitsprüfung der Anpassungsmaßstab festzulegen. § 3 des Erbbaurecht...