Entscheidungsstichwort (Thema)
Produkthaftung und Gewährleitung beim Vertrieb eines säurehaltigen Felgenreinigers
Leitsatz (amtlich)
1. Ein säurehaltiger Felgenreiniger, der starke Verschmutzungen auf säureunempfindlichen Materialen beseitigen soll, ist nicht schon deshalb ein fehlerhaftes Produkt, weil der bei der Reinigung erzeugte Sprühnebel bei anderen (säureempfindlichen) Fahrzeugteilen zu Korrosion und Verfärbungen führen kann.
2. Es gibt keinen allgemein anerkannten Sicherheitsstandard, dass ein Reinigungsmittel keine Beschädigungen bei säureempfindlichen Materialien verursachen darf. Der Umstand, dass es auf dem Markt für Felgenreiniger heute auch nicht säurehaltige Reiniger mit gleicher Reinigungswirkung gibt, ändert daran nichts.
3. Ein säurehaltiger Felgenreiniger muss mit Hinweisen vertrieben werden, welche die Gefahren bei der Anwendung für säureempfindliche Materialien auch einem Laien deutlich vor Augen führen.
4. Der Verkäufer eines säurehaltigen Felgenreinigers ist nicht verpflichtet, den Käufer über die Vorteile von nicht säurehaltigen Konkurrenzprodukten aufzuklären.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 434 Abs. 1, 3; ProdHaftG § 1 Abs. 1, § 3
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 2 O 167/18) |
Tenor
Der Senat erwägt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO eine Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 30.08.2019 - 2 O 167/18 -. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend, nachdem die Anwendung eines von der Beklagten vertriebenen Felgenreinigers Schäden an seinem Motorrad verursacht hat.
Die Beklagte vertreibt mit einem speziellen Vertriebssystem eine Vielzahl verschiedener Reinigungsmittel. Im Jahr 2017 erwarb die Ehefrau des Klägers bei einer Vertriebsmitarbeiterin der Beklagten einen Felgenreiniger, den die Beklagte unter ihrem Firmennamen "P. Felgenreiniger" vertrieb. Den Felgenreiniger wollte der Kläger für die Reinigung der Felgen seines Motorrads nutzen. Vor dem Erwerb hatte die Ehefrau des Klägers die Vertriebsmitarbeiterin gefragt, ob der Felgenreiniger für ein Motorrad Verwendung finden könne. Die Mitarbeiterin der Beklagten hatte dies bejaht.
Der Felgenreiniger wurde in einer Plastikflasche mit 500 ml Inhalt vertrieben. Auf der Plastikflasche befand sich ein Sprühkopf, der auf "Spray" (Sprühen) oder "Beam" (Punktstrahl) eingestellt werden konnte. Auf der Flasche befanden sich zwei Etiketten mit Anwendungshinweisen. Der Felgenreiniger wurde als "selbsttätig wirksames hochaktives Reinigungsprodukt für extrem starke Verschmutzungen auf Säure unempfindlichen lackierten Alu- und Stahlfelgen sowie Kunststoffradblenden" beschrieben. Die Anwendung sollte durch Einsprühen der "Felge/Radblende" aus circa 20 cm Entfernung erfolgen. Nach einer Einwirkung von 2 - 3 Minuten sollte das Reinigungsmittel mit kräftigem Wasserstrahl gründlich abgespült werden. Außerdem gab es verschiedene Hinweise zu Gesundheitsgefahren und zur Gefahr von Schäden an säureempfindlichen Materialien (vgl. wegen der Einzelheiten die Anlagen K 3 und B 1).
Der Kläger verwendete das Produkt zur Reinigung der Felgen seines Motorrads. Er erzeugte mit dem Sprühkopf einen Sprühnebel, der nicht nur auf die Felgen, sondern auch auf andere Teile des Motorrads geriet. An vielen Metallteilen und Kunststoffteilen des Motorrads entstanden Schäden durch Korrosion bzw. Verfärbungen (vgl. die in der Anlage K 1 vom Kläger vorgelegten Lichtbilder). Der Kläger ließ am 19.07.2017 einen Kostenvoranschlag von einer Motorradwerkstatt für den Austausch der beschädigten Motorradteile erstellen (Anlage K 5). Der Kostenvoranschlag belief sich auf einen Nettobetrag von 11.752,24 EUR.
Mit seiner Klage zum Landgericht hat der Kläger von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 11.752,24 EUR zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten und zuzüglich Zinsen verlangt. Die Beklagte sei für den Schaden an seinem Motorrad verantwortlich, weil es sich bei dem von ihr vertriebenen Felgenreiniger um ein fehlerhaftes Produkt gehandelt habe. Es sei unvermeidlich, dass bei einem Einsprühen der Felgen mit dem von der Beklagten gelieferten Sprühkopf Sprühnebel auch auf die anderen Teile des Motorrades gelange. Wegen der dadurch an verschiedenen Motorradteilen verursachten Schäden sei das Produkt der Beklagten als Felgenreiniger für ein Motorrad nicht geeignet. Außerdem hat sich der Kläger auf einen Instruktionsfehler berufen, weil vor der Gefahr solcher Schäden bei der Felgenreinigung nicht ausreichend deutlich gewarnt werde.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Vor möglichen Gefahren von Schäden an säureempfindlichen Metall- oder Kunststoffteilen werde in den Anwendungshinweisen des Felgenreinigers ausreichend gewarnt. Die Schäden am Motorrad des Beklagten seien nur dadurch entstanden, dass der Kläger die Anwendungshinweise nicht ausreichend befolgt habe.
Das Landgericht hat zu...