Leitsatz
1. Eine GmbH, die zu 99,72 % am Gesellschaftsvermögen einer KG beteiligt ist, ist auch dann nicht in das Unternehmen der KG (mittelbar) finanziell eingegliedert, wenn die übrigen Kommanditisten der KG sämtliche Gesellschaftsanteile an der GmbH halten.
2. Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1993/1999 erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus; dass Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. -EG-RL den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, bereits dann mehrere im Inland ansässige Personen zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, wenn sie "eng miteinander verbunden sind", ist insoweit unerheblich.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG , Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin, die B-GmbH und Co KG – B-GmbH ohne Einlage, Kommanditist war nur B – verwaltete Grundstücke. Die A-GmbH – Alleingesellschafter und Geschäftsführer war B – betrieb ihr Unternehmen auf dem Grundstück der Klägerin. Nach dem Tod von B gingen dessen Anteile zu 20 % auf seine Ehefrau, C, und zu 80 % auf seinen Sohn, D, über, der auch die Geschäftsführung der beiden GmbHs übernahm.
Nach mehreren Anteilsübertragungen hielt schließlich ab Juni 1997 die A-GmbH 99,72 % der Kommanditanteile an der Klägerin; C und D hielten jeweils noch 0,14 %. Gleichwohl gingen zunächst beide Beteiligten weiterhin vom Vorliegen einer Organschaft aus.
Erst bei der Umsatzsteuerveranlagung 1998 (Streitjahr) machte die Klägerin geltend, nicht sie beherrsche die A-GmbH, sondern umgekehrt die A-GmbH mit ihrer Anteilsmehrheit die Klägerin. Das FG sah das auch so.
Entscheidung
Der BFH verwies die Sache aus verfahrensrechtlichen Gründen an das FG zurück; das muss bei seiner Entscheidung die in den Praxis-Hinweisen erläuterten Grundsätze berücksichtigen.
Die Klägerin war im Streitzeitraum an der A-GmbH nicht unmittelbar beteiligt; vielmehr war die A-GmbH zu 99,72 % am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt; die A-GmbH konnte die Willensbildung der Klägerin bestimmen und ihren Willen bei der Klägerin durchsetzen. Demzufolge konnte die A-GmbH nicht gleichzeitig in diese derart eingegliedert sein, dass die Klägerin den Willen der A-GmbH bestimmt hätte. Dass C und D sämtliche Anteile an der Komplementärin der Klägerin, der B-GmbH, hielten, war unerheblich, weil die B-GmbH nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin keinen Kapitalanteil und deshalb auch kein Stimmrecht hatte. Ob möglicherweise C und/oder D als Organträger der A-GmbH anzusehen sein könnten, war unerheblich, denn Gegenstand des Verfahrens war nur die Zurechnung der Umsätze der A-GmbH an die Klägerin.
Hinweis
1. Liegt eine Organschaft vor – nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG "wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist" –, sind die von der sog. Organgesellschaft bewirkten Umsätze an Dritte dem Organträger zuzurechnen.
Mit dieser Vorschrift hat der deutsche Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-RL Gebrauch gemacht, der bestimmt:
"Vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln."
Danach dürfte der nationale Gesetzgeber zwar mehrere im Inland ansässige Personen schon dann als einen Steuerpflichtigen behandeln, wenn sie "eng miteinander verbunden sind". Diesen Spielraum nutzt § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur teilweise aus. Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt nämlich ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus, d.h. die Organgesellschaft muss als Unternehmensteil dem Unternehmen des Organträgers zugeordnet werden können.
Für die Annahme einer Organschaft ist zwar nicht erforderlich, dass alle drei in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG genannten Merkmale einer Eingliederung sich gleichermaßen deutlich feststellen lassen; es reicht aber nicht aus, dass eine Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Merkmale besteht. Maßgeblich sind allein die Verhältnisse des Streitzeitraums.
2. Eine finanzielle Eingliederung liegt nur vor, wenn der Organträger in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt ist, dass er seinen Willen (durch Mehrheitsbeschlüsse) durchsetzen kann.
- Erforderlich ist die Stimmenmehrheit (s. § 14 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG –), also mehr als 50 % der Stimmen an der Organgesellschaft, sofern keine höhere qualifizierte Mehrheit für Beschlüsse in der Organgesellschaft notwendig ist.
- Die Stimmenmehrheit des Organträgers für Beschlüsse in der Organgesellschaft kann auch durch eine mittelbare Beteiligung erreicht werden. Eine mittelbare Beteiligung ist vorhanden, wenn die Mehrheit der ...