Prof. Dr. Heimo Losbichler
Planung, Budgetierung und Forecasting gehören seit jeher zu den Kernaufgaben von Controllern, mit denen sie einen Großteil ihrer Arbeitszeit verbringen. Die überraschende Entwicklung der Coronakrise hat diesen Zeitanteil signifikant erhöht und gleichzeitig die Grenzen der Planbarkeit und Prognostizierbarkeit verdeutlicht. Insbesondere zu Beginn des Lockdowns mussten Controller bestehende Planungen über Bord werfen und entsprechend der herrschenden Unsicherheit Forecasts teilweise im Wochentakt aktualisieren.
Die Klage über ein komplexes, unsicheres, schwer planbares Umfeld und das vorzeitige "überholt sein" von Budgets und Forecasts ist jedoch nicht neu und keine Corona-spezifische Erscheinung. Budgets und Forecasts sind heute nach wie vor das "Herzstück" der finanziellen Unternehmenssteuerung, auch wenn ihre Effizienz und Wirksamkeit seit langem hinterfragt wird. Nachfolgende Hauptkritikpunkte werden von Controllern wie Managern angeführt:
- Mangelnde Planbarkeit und vorzeitiges "überholt sein" angesichts unsicherer dynamischer Marktbedingungen;
- unverhältnismäßiger Zeitaufwand bei der Erstellung;
- starre Vorgaben und mangelnde Entscheidungsflexibilität;
- taktische Spiele wie das Bilden von Budgetreserven oder das bewusste Aufbrauchen offener Budgets zum Jahresende.
Auch wenn Budgets und Forecast untrennbar miteinander verbunden sind, haben letztere heute ein deutlich besseres Image. Von den 4 angeführten Kritikpunkten werden die letzten 3 primär dem Budget und weniger dem Forecast angekreidet. Auf der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten haben sich mit "Better Budgeting" und "Beyond Budgeting" 2 gegensätzliche Alternativen entwickelt und einen emotionalen Richtungsstreit entfacht. Dieser fand im deutschen Sprachraum in den Jahren 2006 und 2007 seinen Höhepunkt, als der Beyond Budgeting Round-Table (BBRT) das Ende der traditionellen Budgetierung forderte. Auch wenn sich Beyond Budgeting in der Praxis nicht durchsetzen konnte, stellte sich die Frage der Planbarkeit mit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 rasch wieder.
Entsprechend der damals herrschenden Unsicherheit, die mit jener der aktuellen Coronakrise vergleichbar ist, etablierte sich der Begriff VUCA – Volatility, Uncertainty, Complexity and Ambiguity – für das "new normal" bei der Erstellung von Budgets und Prognosen. Als Reaktion auf die eingeschränkte Vorhersagbarkeit wurden Konzepte wie die Moderne Budgetierung, Szenarioplanung, Bandbreitenplanung oder Rolling Forecasts vorgestellt, die auf unterschiedliche Weise den Abschied von detaillierten, punktgenauen Planungen und Prognosen propagierten. Seit dieser Zeit hat sich im Controlling die Bedeutung schnellerer, weniger detaillierter und häufiger erstellter Forecasts im Vergleich zum traditionellen Budget erhöht.